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Ein Modell aus der Herbst-/Winterkollektion 2013.

 

Foto: Manu Fernandez/AP/dapd

Zurückhaltung ist kein Wort, das bei Desigual einen guten Ruf hat.

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Das Stilvorbild des Modeunternehmens aus Barcelona ist der Fleckerlteppich.

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Ansturm der "seminaked" Desigual-Fans in Wien.

Foto: Desigual

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Supermodel Bar Refaeli für Desigual auf dem Laufsteg in Barcelona im Jänner diesen Jahres.

Foto: ap/fernandez

Eine Menschenansammlung vor der Desigual-Filiale in der Wiener Mariahilfer Straße. Bis vor die Mariahilfer Kirche reicht an diesem Junimorgen die Schlange der Wartenden. Seit Mitternacht stehen sich hier einige in Shorts, Bikinis und Badelatschen die Beine in den Bauch. Denn wer heute halb nackt kommt, darf den Laden bekleidet verlassen. Seminakedparty heißt das Marketingkonzept. Eine Party im Unterhoserl. Und das um neun Uhr in der Früh. Die Fotografen schießen Bilder, am Eingang wird gejohlt: Die ersten hundert werden in den Shop gelassen, den anderen werden zum Trost plastikverschweißte T-Shirts in die Hände gedrückt. Darauf zu lesen: "Vienna - It's not the same".

Erstaunlicherweise ist Wien für das spanische Unternehmen Desigual alles andere als ein blinder Fleck auf der Landkarte: Elf Shops gibt es in Österreich mittlerweile. Vor allem Frauen fliegen auf die kreischend bunten Kleider. Und das, obwohl Modeinsider bei dem Namen Desigual meist gequält die Mundwinkel verziehen. Wie macht das Desigual?

Wien viertumsatzstärkste Stadt

Fragen wir einfach einmal den neuen CEO: Die österreichische Hauptstadt sei hinter Madrid, Barcelona und Paris die viertumsatzstärkste Stadt für Desigual, erklärt Manel Jadraque. Warum, kann er auf die Schnelle selbst nicht so recht erklären. Jadraque ist mit Sommer vergangenen Jahres in die Fußstapfen von Manel Adell getreten, der das Unternehmen innerhalb von zehn Jahren zu einem spanischen Textilwunder gemacht hat. An der steilen Erfolgskurve seines Vorgängers wird er sich nun messen lassen müssen: In nur zehn Jahren steigerte Desigual die Umsatzzahlen von acht auf 700 Millionen Euro im Jahr 2012. Die Messlatte liegt hoch, Jadraque selbst erwartet für dieses Jahr eine Umsatzsteigerung von 15 bis 20 Prozent.

Angesichts dessen sieht der Neue gerade ziemlich entspannt aus. Er sitzt in Barcelona im neuen Hauptsitz, einem Entwurf des katalanischen Architekten Ricardo Bofill. Das Innere gleicht einer Wohlfühloase, hier schüttelt sich die schöne neue Arbeitswelt die bunten Ideen aus den Ärmeln: Im Eingangsbereich baumeln katalanische Korblampen von der Decke, über die vier Stockwerke sind Sitzgruppen zum Austausch der Mitarbeiter verteilt. Hinter Manel Jadraque fällt der Blick durch die großen Glasfronten auf Barcelonas Strandpromenade, auf der anderen Seite versteckt sich der Industriehafen.

Desigual erobert Südamerika

Von der spanischen Finanzkrise ist hier nichts zu sehen. Desigual ist in den vergangenen Jahren ähnlich wie die spanischen Exportschlager Zara, Mango oder der Schuhproduzent Camper der schwächelnden Wirtschaft im eigenen Land mit einem starken Absatz im Ausland zuvorgekommen. Aktuell ist die modische Eroberung Südamerikas geplant: Im Jänner ist Desigual in Kolumbien gestartet, gerade wird eine Filiale in Brasilien gebaut, für nächstes Jahr steht Mexiko auf dem Plan. Kurz: Die Zahlen sind gut, die Vorausschau noch besser.

Wenn da nur Spanien und die anderen südeuropäischen Länder nicht wären. Jadraque verzieht leidvoll das Gesicht. "Zum Glück haben wir viele Touristen." Sie sind der Rettungsanker in der derzeitigen Situation. "Im Urlaub ist man nämlich offener und kauft Farben ein." Und Farbe gibt es bei Desigual in allen Kombinationen. Das Unternehmen kleidet Frauen, Männer, Kinder, Babys und neuerdings auch Wohnungen von Kopf bis zur Fuß, von oben bis unten möglichst bunt und bemustert ein: Patchwork als Design.

"La vida es chula!"

Die Trägerinnen lieben diese Individualität von der Stange, vielleicht auch, weil mit Mänteln von Desigual der Alltag zwischen Büro und Lehrerzimmer gleich ein bisschen zum Abenteuer gerät. Die Schnitte der Kleider und Mäntel sind simpel, Ornamente, Farben und Muster, wohin man blickt. Was Antoni Gaudí in der Kunst, das ist Desigual in der Mode: kreischend bunt und ein bisschen simpel. Understatement sieht anders aus. Aber vielleicht ist genau das der Punkt. Hierzulande nimmt man sich modisch nämlich gern zurück.

Bei Desigual drückt man dagegen auf die Tube. Der Slogan der Spanier: "La vida es chula!" Das klingt auf Spanisch gleich um Klassen besser als in der ziemlich ungelenken deutschsprachigen Version: "Das Leben ist cool!" Dabei macht Desigual neben seinem Gute-Laune-Schmäh manches anders als die Konkurrenz von Zara oder Mango. Die wirft bis zu 14 Kollektionen pro Jahr in die Geschäfte und kopiert dabei munter die Laufstegtrends aus Paris, New York oder Mailand. Desigual produziert jährlich nur zwei Kollektionen, das sind 1000 Designs pro Saison. Jadraque ist überzeugt: "Immer nur Zara, Zara, Zara - die Kunden werden zu echten Brands zurückkehren." Kein Zweifel: Damit meint Jadraque Desigual.

Desigual für Männer?

Desiguals Mode in Regenbogenfarben kommt vor allem bei Frauen an, die Männermode macht dagegen nur rund 20 Prozent des Umsatzes aus. Und Jadraque? Trägt selbst eine mehr als unauffällige Jean aus dem eigenen Haus. Es scheint nicht einfach, aus Männern Paradiesvögel zu machen. Da sei was dran, räumt der CEO ein. Und das, obwohl der Schweizer Unternehmensgründer Thomas Meyer 1984 auf Ibiza mit Männersachen begann.

Aus aufgetrennten Jeans schusterte er Patchworkjacken passend zum Ibiza-Lifestyle der 1980er-Jahre. Das ist lange her, den Jeansjacken folgten schnell bunte Patchworkkleider und das erste Geschäft auf der Insel. Zur Eröffnung des neuen Firmensitzes in Barcelona lässt sich der öffentlichkeitsscheue Meyer, flankiert von katalanischen Lokalpolitikern und Barcelonas Bürgermeister, sogar blicken: braungebrannt, mit weißem Haar im weißen Shirt, dazu ein legeres Sakko und Jeans. Ein wenig Ibiza meint man da herauslesen zu können. Das muss allerdings Vermutung bleiben. Desigual mag sich mit großem Tamtam zu inszenieren wissen, Thomas Meyer schweigt. Er gibt seit Jahren keine Interviews. (Anne Feldkamp, Rondo, DER STANDARD, 5.7.2013)