Stefan Hopmann: Zahlenspielereien.

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Alle Jahre wieder veröffentlicht die OECD ihre Bildungsstatistik "Bildung auf einen Blick". In der österreichischen Öffentlichkeit blieb diesmal vor allem ein Eindruck hängen: Österreichische Lehrkräfte sind scheinbar überbezahlt und unterbeschäftigt. Laut OECD verdienen sie mehr als andere und unterrichten weniger. Leider ist dieser erste Eindruck wie so manch anderer, den diese und andere Statistiken vermitteln, schlicht falsch oder jedenfalls so nicht zu belegen.

Beginnen wir mit dem Einkommensvergleich. Der ist zwar entsprechend der "Kaufkraft" bereinigt, vermittelt aber dennoch ein falsches Bild. Denn erstens werden bei der Kaufkraftumrechnung wichtige langfristige Aufwendungen, die man als Familie für Bildung, Altersvorsorge, Wohnen und anderes hat, nur teilweise berücksichtigt. Zum Zweiten werden einfach Tarifeinkommen, aber nicht Lebenszeiteinkommen, also zum Beispiel unterschiedliche Eintritts- und Pensionierungsalter, einkalkuliert. Ausgeklammert sind auch die unterschiedlichen Möglichkeiten, durch zusätzliche Aufgaben oder Funktionen Zusatzeinkommen zu erwirtschaften. Sie können je nach Land einen erheblichen Zusatz zum Grundgehalt ausmachen, sind aber für Österreich nicht ausgewiesen.

Meist übersehen wird schließlich der Lebensstandardvergleich, also ob vergleichbare Berufsgruppen im jeweiligen Land mehr oder weniger verdienen. Da liegt Österreich nämlich eher am unteren Ende. Zusammengefasst: Ohne solche Zusatzinformationen sind diese Zahlen ungefähr so aufschlussreich wie ein Vergleich der Eismengen auf Grönland und in der Sahara.

Noch schlimmer ist der Vergleich der abzuleistenden Unterrichtsstunden. Die OECD stützt sich hier auf von den jeweiligen Ländern berichtete Daten. Nur kalkulieren die verschiedenen Länder die Arbeitszeiten sehr unterschiedlich: einmal brutto, einmal netto; einmal nur auf Zeiten in der Klasse bezogen, einmal unter Einschluss anderer unterrichtsrelevanter Aufgaben - und so weiter. Je nachdem, welche Formel man zugrunde legt, wäre ein Land im unteren Drittel, in der Mitte oder in der Spitzengruppe zu finden.

Zudem bleibt ausgeklammert, welche Pflichtaufgaben Lehrkräfte über den Unterricht hinaus haben. In vielen Ländern gibt es doppelt und dreifach mehr Unterstützungspersonal als in Österreich, können sich Lehrkräfte dementsprechend mehr auf das Unterrichten konzentrieren. Die OECD weist darauf im Kommentar zur Tabelle hin. Nur liest den anscheinend kaum jemand.

Ober- und Unterknarzenberg

Der letzte Punkt verführt zurzeit Gewerkschaften dazu, bis zu 12.000 zusätzliche Stellen zu fordern, während Teile der Regierung bis zu 2000 anbieten. Beide Zahlen sind völlig aus der Luft gegriffen und sinnlos. Was nutzt beispielsweise einer Lehrkraft, die an der Mittelschule in Oberknarzenberg mehr unterrichten soll, dass am Gymnasium in Unterknarzenberg eine zusätzliche Sekretärin eingestellt wurde?

Man kann nur hoffen, dass solche Zahlenspielereien die Verhandlungspartner beim Dienstrecht nicht in die Irre führen. Sie sollten die bisherigen Verhandlungen einfach vergessen und stattdessen an einem flexiblen Dienstrecht arbeiten, das sich auf die Situation der einzelnen Schule einrichten lässt und zugleich Lehrkräften erlaubt, durch Übernahme von mehr Verantwortung oder zusätzlicher Aufgaben aus eigener Kraft mehr zu verdienen.

Minister Karlheinz Töchterle hat dazu Vorschläge unterbreitet. Angesichts der Rückmeldungen der Regierungsspitzen ist allerdings zu befürchten, dass die unmittelbar an den Verhandlungen Beteiligten nicht genug politisches Gewicht für einen solchen Neuanfang haben. (Stefan Hopmann, DER STANDARD, 3.7.2013)