Graz - "Sie haben die Bevölkerung vor der Türe stehen lassen", wettert der Grünen-Abgeordnete Lambert Schönleitner am Dienstag im steirischen Landtag in Richtung Regierungsbank. Der Applaus für Schönleitners Rüge an die Reformpartner Franz Voves (SPÖ) und Hermann Schützenhöfer (ÖVP) kam nicht nur von den Klubs der Grünen und der KPÖ, die in einer heftig geführten Debatte die geplanten Gemeindefusionen der Regierung kritisierten, sondern auch aus dem Zuschauerraum. Dort klatschten rund 20 Bürgermeister von SPÖ und ÖVP dem Grünen Beifall.

Rund 90 Bürgermeister von der aus über 120 Gemeinden bestehenden Initiative gegen Zwangsfusionen wollten zur letzten Sitzung vor der Sommerpause nach Graz reisen. Doch ihnen wurden nicht genügend Plätze im Besucherbereich zugewiesen. Dafür werden immer wieder Schulklassen vom Landtagspräsidenten Franz Majcen begrüßt. Den Bürgermeistern verbietet er "Beifall und Missfallenskundgebungen".

Schönleitner kritisiert auch, dass Voves nicht genau sagt, woher aus dem Landesbudget die Prämien von je 50.000 Euro kommen, die die Regierung seit zwei Wochen allen Gemeinden verspricht, die freiwillig vor 30. September die Fusion beschließen.

Dass ÖVP-Chef Schützenhöfer auf der Regierungsbank fehlt, wird aus seinem Büro damit erklärt, dass er Gespräche mit den erbosten Bürgermeistern führt. Die wollen ihn aber nicht gesehen haben, wie sie dem Standard später am Rande der Sitzung erzählten. Otmar Hiebaum, ÖVP-Bürgermeister von Markt Hartmannsdorf und Sprecher der rebellischen Bürgermeister, telefoniert in den Arkaden des Landtags zwischen zwei Debatten noch mit Ortschefs aus dem Ennstal. Alle seien grantig auf die Regierung, fühlten sich allein gelassen, erzählt Hiebaum.

Neben ihm steht der zerknirschte Bürgermeister aus Mellach, Johann Wagner. Ob er auch ÖVP-Bürgermeister ist? "Noch derweil", antwortet er. Schützenhöfer habe auch mit ihm nicht gesprochen, weil "mit so kleinen wie uns reden's nicht", sagt Wagner.

Im Saal ist Schützenhöfer derweil aufgetaucht. KPÖ-Abgeordneter Werner Murgg will den Reformpartnern die Wut ihrer Ortschefs mit einem Gleichnis erklären: "Stellen Sie sich vor, ich sage Ihnen, ich werde jetzt Ihr Haus abtragen und mit dem Ihres Nachbarn zusammenlegen. Wenn es dann vorbei ist, können Sie sich aber noch zu Wort melden". Schützenhöfer lächelt. Murgg setzt nach: "Sie würden sagen, ich will über das überhaupt nicht reden. Und genau so geht es der Bevölkerung."

Wenn die Bürgermeister ihre Drohung, SPÖ und ÖVP zu verlassen, wahrmachen, könnte es bald einige Bürgerlisten mehr in der Steiermark geben. Manche der Ortschefs suchen aber auch schon offensiv Kontakt zur KPÖ.

Protest der Flussretter

Auch Vertreter der "Plattform zur Rettung der Schwarzen Sulm" waren am Dienstag zum Zuhören gekommen. Wie berichtet, soll in dem Fluss im EU-geschützten Natura-2000-Gebiet ein privates Kraftwerk errichtet werden. Voves will die Bauarbeiten trotz rechtlicher Ungereimtheiten und Gegenwind von EU und Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) nicht stoppen.

Grünen-Klubchefin Sabine Jungwirth, die den Fluss parteipolitisch adoptiert hat, wollte vom Landeschef wissen, wer etwaige Strafen zahlen werde. Wegen des Kraftwerks läuft nämlich ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Österreich. Voves bemerkte dazu: "Gegenüber der EU ist immer die Republik betroffen. Zahlungen treffen daher zunächst den Bund."

Im Umweltministerium wird dem Vernehmen nach über eine Weisung an Voves nachgedacht. Auf einem Zettel, den ein Sulm-Retter im Publikum in die Höhe hielt stand darauf Bezug nehmend: "LH Voves, warum auf Weisung warten?" (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 3.7.2013)