Erfahrene Flugbegleiter, die auch musikalische Mittel einsetzen, um ihre Gäste bei Laune zu halten: Raúl Arévalo (li.), Carlos Areces und Javier Cámara in und als "Fliegende Liebende".

Foto: Tobis

Wien - Drei Männer in Uniform legen sich rhythmisch ins Zeug: Sie mimen und tanzen entsprechend exaltiert zur Exaltationshymne I'm so excited von den Pointer Sisters. Ihre hellblauen, zartrot-weiß eingefassten Hemden fügen sich ein ins Interieur. Sitzreihen, Gänge und schwungvoll geschnittene Trennwände geben die passende Bühne für eine perfekt einstudierte kleine Choreografie.

Leider handelt es sich bei Pedro Almodóvars neuem Film Fliegende Liebende (Los amantes pasajeros) aber nicht um ein Musical - die gelungene Showeinlage kommt relativ spät im Film -, sondern um ein komisch gemeintes Kammerspiel über den Wolken. Hauptort der Handlung ist ein Passagierflugzeug, welches nach Mexiko unterwegs sein sollte. Aufgrund eines technischen Gebrechens muss die Maschine jedoch so lange über spanischem Gebiet kreisen, bis sich ein Flughafen für die Notlandung findet. Die meisten Fluggäste verbringen diese Zeit ahnungslos im Tiefschlaf - dafür haben die drei besagten Uniformierten gesorgt, die sich jetzt nur noch um die Bespaßung der Business-Class-Kunden und der Piloten kümmern müssen.

Schnell beginnen diese wach gebliebenen Figuren um sich selbst zu kreisen und in Gesprächen ihr (Vor-)Lieben und Leiden zu offenbaren: Eine dominante Escortservice-Chefin und eine etwas verhuschte Hellseherin, ein unglücklicher Geschäftsmann und ein bindungsunfähiger Schauspieler, ein frisch verheiratetes Paar und ein mysteriöser Mexikaner bilden die tendenziell mürrische Notgemeinschaft. Die offenherzigen Crewmitglieder - der Chefsteward kann nach einem einschneidenden Flugerlebnis nicht mehr lügen - würzen die Situation mit intimen Enthüllungen aus der Personalabteilung.

Die Figuren sprechen (zumindest im spanischen Original) denkbar schnell, trotzdem fehlt dem Ganzen irgendwie das Tempo. Die Boulevardkomödie oben im Flieger wird von Mini-Melodramen unten am Boden konterkariert. Das Mischungsverhältnis ist aber nicht so günstig ausgefallen. Für seinen vorigen Film, Die Haut, in der ich wohne (2011), hatte sich Almodóvar ein kühles Thriller-Rätsel ausgedacht (und auch dabei Raum für groteske Überzeichnungen gelassen). Mit Fliegende Liebende schließt der wohl populärste spanische Filmemacher der Gegenwart nun wieder mehr an seine früheren, deutlich überdrehteren Milieutragikomödien an.

Kammerspiel der Worte

Das Kolportagehafte, aus dem Filme wie Alles über meine Mutter, Live Flesh oder Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs ihre schillernden Helden und Heldinnen schufen (die gefallenen Mädchen, die Enthüllung von schmutzigen kleinen Geheimnissen honoriger Herrschaften, sexuelle Extravaganzen, blutige Verbrechen usf.), ist hier jedoch nur noch als Abklatsch vorhanden.

Die Passagiere haben zwar Ähnliches erfahren, der ausführlichste Exkurs an einen irdischen Nebenschauplatz deutet große Gefühlsausbrüche an - aber es bleibt lauwarm, mehr Vortrag als Verkörperung. Das größte Problem ist nicht die Reduktion auf einen Schauplatz, sondern dass dieses Kammerspiel weniger von dem lebt, was sich dort ereignet, als von dem, was man sich dort so alles erzählt. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 3.7.2013)