Die mutmaßlichen US-Spionageangriffe auf europäische Regierungs- und EU-Einrichtungen gehören laut dem Historiker und Geheimdienstexperten Siegfried Beer zur "natürlichen Routine" von Geheim- und Nachrichtendiensten. "Das überrascht mich alles überhaupt nicht," erklärte der Professor an der Universität Graz am Montag. Daher sei auch die aktuelle Aufregung aus seiner Sicht "übertrieben und ein bisschen gespielt."

"Routineangelegenheit"

Wer etwas realistisch sei, wisse, dass die in den Medienberichten angesprochenen Praktiken bei Geheim- und Sicherheitsdiensten üblich seien und aus deren Sicht eine "Routineangelegenheit", erklärte Beer. "Daher nehme ich den Politikern die Empörung nicht ganz ab." In der Geschichte hätten Geheimdienste stets nicht nur die Feinde des eigenen Landes, sondern auch die eigenen Freunde überwacht. "Schließlich ist auch die EU nicht nur Partner sondern auch ein Konkurrent für die USA," so der Geheimdienstspezialist.

Die Geheim- und Nachrichtendienste würden immer internationale und nationale Interessen verfolgen. Jedoch seien die USA laut Beer vermutlich als einzige in der Lage mit ihren Geheimdiensten derart global zu agieren. Die Tatsache, dass die USA angesichts ihrer Vormachtstellung auch internationale Interessen, wie die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, verfolge, sei für die übrigen Länder durchaus von Vorteil. "Die EU-Regierungen profitieren auch davon."

Deutschland interessant

Deutschland sei als europäische Führungsmacht in der EU natürlich für die Geheimdienste besonders interessant, erklärte Beer. Österreich dagegen sei heute "keine Größe". Kurzfristig sei Österreich nur während der Besatzungszeit für internationale Geheimdienste interessant gewesen. "Interessant ist Österreich heute nur, wenn es mit internationalen Fragen in Kontakt kommt", so der Experte. So könnte die heimische Politik ausländische Geheimdienste nur bei Fragen wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Golan-Abzug interessieren, wie sich Beer vorstellen kann.

Österreich "keine Größe"

Auch angesichts der Berichte von einer massiven Überwachung der Telefon- und Internetverbindungen im deutschen Nachbarland, könnten die meisten Österreicher ganz beruhigt sein, meinte der Experte. Angesichts der Datenmenge seien die US-Geheimdienste gar nicht in der Lage, alle Bürger zu überwachen und würden sich überdies nur vor politischen und militärischen Hintergründen für Einzelne interessieren.

In Österreich sind laut Beer rund 80 US-Geheimdienstmitarbeitern aktiv. Jedoch würden diese Verbindungsleute neben einem Angestellten-Beruf als Deckmantel hauptsächlich Netzwerke aufbauen und Kontakte pflegen. (APA, 1.7.2013)