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Am Sonntag dominierte in Zagreb die blau-gelbe Europafahne. An den Häusern war aber auch die kroatische Sahovnica zu sehen.

Foto: AP/Bandic

Ivana und Mario sind froh, "jetzt Teil dieser großen europäischen Familie" zu sein. Für die 34-jährige PR-Frau und den 40-jährigen Ökonomen ist Familie jetzt überhaupt Thema Nummer eins. Denn Ivana ist hochschwanger. "Für unser Leben bedeutet die EU-Mitgliedschaft keine Veränderung, aber wir hoffen, dass sie für unser Kind neue Chancen eröffnet", sagt Ivana. "Unser Kind soll im Ausland studieren, im Ausland arbeiten können", pflichtet Mario bei.

Angst vor Mentalität

Die beiden flanieren durch die Innenstadt der Hauptstadt des nun 28. Mitgliedsstaates der EU. Der Hauptplatz von Zagreb ist heute nicht rot-weiß-geschacht, heute dominiert das Blau der europäischen Flagge. "Ich habe keine Angst vor Europa", sagt Mario. "Ich habe Angst vor uns selbst, vor dieser Mentalität, dass wir es nicht schaffen, die Gesetze umzusetzen, dass die Leute weiterhin Schmiergelder zahlen. Europa hat uns mit neuen Gesetzen eine Chance gegeben, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir Leute aus dem Süden diese auch ergreifen."

Mario, der aus Dalmatien kommt und dort auch ein Grundstück besitzt, überlegt sich um EU-Gelder für ein Tourismusprojekt anzusuchen. Ob er und Ivana heute feiern? "Nein", sagt er und zeigt auf Ivanas Bauch. "Das kann jederzeit kommen, das könnte ja noch ein EU-Baby werden."

"Die EU wird uns verteidigen"

Für Dubravka R., eine pensionierte Richterin, die die Sonnenstrahlen auf dem Bankerl genießt, ist der EU-Beitritt vor allem eine Garantie, dass "Kroatien ein unabhängiger Staat bleibt". Sie hat offenbar Angst vor einer Renaissance Jugoslawiens. "Man weiß ja nie", sagt sie, "aber die EU wird uns in dem Fall verteidigen."

Jana (19) und Stjepko (19) glauben nicht, dass sie angesichts der Wirtschaftsmisere vom Beitritt profitieren werden, aber sie glauben, dass Kroatien nun nicht mehr "wie ein Dritte-Welt-Land" angesehen werde. "Nicht so wie Bosnien etwa", sagt Jana. Für die beiden ist die EU-Mitgliedschaft auch so etwas wie ein endgültiges Zurücklassen der Ära des Kriegs, von dem ihre Väter immer erzählen. Und ein Zeichen dafür, dass man den anderen Nachbarn um "30 bis 40 Jahre voraus" ist, wie Jana sagt. Serbien zum Beispiel. "Wir fahren manchmal nach Belgrad, aber wir fühlen uns nicht sicher dort." Wie sie es finden, dass der serbische Präsident Tomislav Nikolic heute in Zagreb feiert? "Das ist nur ein politischer Schachzug", sagt Stjepko. "Aber es ist gut, dass er kommt. Die Serben sind halt jetzt sauer, dass wir zuerst in die EU kommen", glaubt der Mann, der Tourismus studiert.

In der Zwischenzeit sind Nikolic und viele Politiker aus ganz Europa in Zagreb gelandet. Man hat ihnen nach Landessitte Brot mit Salz gereicht. Ihre Ansprachen sollten erst kurz vor Mitternacht beginnen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso lobt dem Redemanuskript zufolge Kroatien als "Beispiel für die Region". Der kroatische Präsident Ivo Josipovic freut sich über die Mitgliedschaft in der "der erfolgreichsten Gemeinschaft von Staaten, die jemals auf dem Kontinent existierte". "Wir treten Europa bei, um Frieden und Stabilität für uns selbst und für die nächsten Generationen zu sichern", verwies er auf das Friedensprojekt Europa.

Mosaik freier Meinungen

Premier Zoran Milanovic betonte die Freiheiten der Bürger, er sieht Kroatien nun als "Mosaik zusammengesetzt aus viereinhalb Millionen freier Auffassungen über das eigene Land". Der Satz "Freiheit inkludiert auch Gleichheit zwischen der Mehrheit und der Minderheit" ist wohl an die serbische Minderheit im Land gerichtet. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wollte sich kurz fassen: "Willkommen zu Hause". Auf dem Programm standen für Sonntagnacht viele Musikbeiträge, inklusive einer Interpretation von "Smooth Criminal" bis zur "Ode an die Freude". Im katholischen Kroatien durfte am Ende natürlich auch nicht das "Ave Maria" fehlen. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 1.7.2013)