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Gegner des ägyptischen Präsidenten Mohammed Morsi versammelten sich am Sonntag im Zentrum der Revolution von 2011, dem Kairoer Tahrir-Platz, zu einer Großkundgebung.

Foto: AP/Nabil

"Verboten für Muslimbrüder" steht auf einem Transparent am Eingang zum Tahrir-Platz. Die Wiege der Revolution ist erneut eines der Epizentren des Protests gegen Präsident Mohammed Morsi, diesmal aus Anlass seines einjährigen Amtsjubiläums. "Es gibt keine Regierung, nur Probleme", begründet Mahmoud, ein pensionierter Polizei-Instruktor aus Menoufiya, weshalb Männer aus vier Generationen seiner Familie hier sind. Sie rechnen nicht mit einem Tagesausflug, sondern wollen bleiben, bis Morsi geht. Mahmoud ist überzeugt, dass die Muslimbrüder selbst den Auftrag gegeben haben, ihre Büros anzuzünden, und verantwortlich sind für die Gewalt der letzten Tage, die mindestens sieben Tote und 700 Verletzte zur Folge hatte.

Kein Raum für Kompromisse

Die Parolen der Menge auf dem Platz sind einfach "raus" oder "game over" , aufgemalt auf roten Karten. Parteifarben sind keine zu sehen, alle haben, so wie bei der Revolution vor zwei Jahren, nur ein Ziel. Gekommen sind viele Männer, wenige Frauen und fast keine Kinder - ein Zeichen, dass die Angst vor Gewalt umgeht. "Hier nicht", sagt Madiha, eine Hausfrau, die sich ärgert, dass sie Morsi einst ihre Stimme gegeben hat, der jetzt nur mit Religion Politik mache, statt sich um die Probleme des Landes zu kümmern. Sie hat die Tamarod-Initiative - Arabisch für Rebellion - unterzeichnet. 22,1 Millionen Unterschriften seien zusammengekommen, erklärte deren Sprecher Mahmoud Badr am Samstag.

Die ganze Opposition und viele ehemalige Anhänger Mubaraks haben sich Tamarod angeschlossen. Die Initiative verlangt den Rücktritt des Präsidenten, weil er die Postulate der Revolution - Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit - nicht erfüllt habe. Eine Regierung aus Technokraten soll das Land führen und im Laufe von sechs Monaten ein neuer Präsident gewählt werden. Die Veranstalter betonen, dass die Aktion kein Vehikel für die Rückkehr alter Kader oder der Armee sei.

Militärhelikopter in der Luft

Raum für Kompromisse gibt es bei den Morsi-Gegnern ebenso wenig wie bei seinen Anhängern, die seit Freitag ihr Lager vor der Rabba-al-Adawiya-Moschee in Nasr City aufgeschlagen haben. Auch sie sind Zehntausende, fast alles Islamisten, die ihren in freien Wahlen erkorenen Präsidenten bis zum letzten Blutstropfen, wie ihre Einpeitscher immer wieder wiederholen, verteidigen wollen. Auch sie können die Probleme des Landes nicht verneinen. Aber in ihren Augen tragen vor allem Anhänger des alten Regimes die Schuld, die alle Anstrengungen torpedieren würden. Zudem argumentieren sie, dass nur mit dem Austauschen von Leuten die Probleme des Landes nicht gelöst würden und die Opposition keine konkreten Visionen habe.

Während die Morsi-Anhänger Stillschweigen über ihre Strategie bewahrten, hatten seine Gegner schon vor Wochen angekündigt, dass der Präsidentenpalast Ziel ihres friedlichen Protestes sein solle. Mehrere Demonstrationszüge führten schon am Samstag dorthin. Mitte der Woche hatte die Armee erklärt, sie würde eingreifen, sollte das Land in ein Chaos abdriften. Militärhelikopter verfolgten das Geschehen aus der Luft.

Auch in Wien versammelten sich hunderte Demonstranten vor der Staatsoper zu einer Solidaritätskundgebung, später wollte der Zug Richtung Heldenplatz ziehen. Die christlichen Kopten, säkularen sowie konservativen Muslime wollen dort ebenfalls Morsis Rücktritt fordern. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 1.7.2013)