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Massimo Bray (oben), Italiens neuer Kulturminister: Streiks, frustrierte Touristen vor verschlossenen Toren und ein Ultimatum der Unesco, in Pompeji (rechts) endlich mit Rettungsmaßnahmen zu beginnen.

Foto: Foto: photodisc, AP / Riccardo DeLuca

"Wegen Streiks geschlossen" stand am Sonntag vor einer Woche an der Pforte des Kolosseums, Italiens meistbesuchten Orts der Kultur. Täglich schieben sich zirka 14.000 Besucher durch die Ränge des Theaters, in dem einst die Gladiatoren kämpften. Es war der zweite Streik binnen weniger Tage. Für vergangenen Freitag drohte die Gewerkschaft dann mit dem totalen Kultur-Blackout, neben der archäologischen Stätte sollten auch die Museen geschlossen bleiben und nicht nur in Rom. Dies konnte zwar in letzter Minute verhindert werden, da diesmal "nur" die Engelsburg, das Pantheon und noch einige Museen geschlossen blieben. Doch ist der Kultur-Frieden noch lange nicht geschlossen.

Die Forderungsliste der Gewerkschaften des Kultursektors ist lang. Unbezahlte Überstunden, die teilweise seit Jänner ausstehen, chronischer Personalmangel - in einem Land mit einer Arbeitslosigkeit von zwölf Prozent! - und Unterbezahlung sind nur einige der Klagen. Zudem besteht die Gefahr, die Besetzung an Feiertagen nicht gewährleisten zu können, da die gesetzlich festgelegte Zahl der Überstunden bzw. Sonntagsschichten pro Angestellten bereits erschöpft ist. Italien schneidet sich ins eigene Fleisch, denn neben dem Imageverlust bedeutet eine vierstündige Schließung des Kolosseums auch Einbußen in der Höhe von 39.000 Euro.

Tatsächlich gelang es dem neuen Kulturminister Massimo Bray, die verweigerten Gelder aus dem Fondo Unico della Spettacolo, dem berühmt-berüchtigten, weil immer knapper werdenden Geldtopf des Ministeriums, lockerzumachen.

Kulturkampf

Doch damit steht der 54-jährige PD-Politiker und Parteikollege von Regierungschef Enrico Letta erst am Anfang eines Kulturkampfes. Und es hat den Anschein, dass er diesen auch in Angriff nehmen will. Anders als sein Vorgänger Lorenzo Ornaghi ist Bray kein Minister wider Willen und auch kein Politiker, der sich eher zufällig oder aus parteipolitischen Gründen in die Kultur verirrt hat. Als Literaturwissenschafter und ehemaliger Leiter der Treccani, Italiens größten Lexikonverlags, bringt er die notwendigen kulturellen Voraussetzungen mit. Sollte man meinen.

An seinen Managementfähigkeiten darf man allerdings Zweifel hegen, ist es mit dem Verlagshaus Treccani unter seine Fittichen doch rapide bergab gegangen. Aber Bray lässt sich nicht beirren und fordert die Regierung auf, der stiefmütterlich behandelten Kultur endlich mehr Zuneigung und vor allem mehr Geld als die lächerlichen 0,2 Prozent des Gesamthaushalts zukommen zu lassen. Bray ist nicht allein auf weiter Flur. Er befindet sich bester Gesellschaft, fast alle Minister der neuen Regierung fordern mehr Geld, wohl wissend, dass es schlichtweg nicht vorhanden ist. Ein Versuch kann nicht schaden, der zudem als Alibi dient: Wenn es brenzlig oder das Kolosseum ganz zugesperrt wird, kann man immer noch auf den Hilfeschrei verweisen und die Schuld von sich schieben.

Doch Bray will auch sparen und zumindest die Geldverschleudermaschine, zu der das Ministerium in den vergangenen Jahrzehnten geworden ist, stoppen. Das ist löblich. Nur schade, dass er dem Sumpf des Kulturapparats, in dem die Gelder wie Bächlein versickern, mit der Einberufung einer weiteren Einrichtung zu Leibe rücken will.

Neue Kommission

Eine Kommission wird sich der Neuorganisation des Kulturministeriums annehmen und abwägen, an welcher Stelle der Rotstift angesetzt werden kann - und an welcher nicht. Laut Bray lässt sich die Kommission vom angelsächsischen Modell inspirieren: Persönlichkeiten von hohem technischem Profil, sagte er in einem Interview der Tageszeitung La Repubblica, werden die Kulturschaffenden vor Ort zu Anhörungen bitten. Was Bray allerdings weder in dem Interview noch in den bisherigen Stellungnahmen seiner allerdings noch recht frischen Amtszeit verrät, ist die Antwort auf die Frage, wie die Kommission die Probleme der Bittsteller zu lösen gedenkt. Etwa des Leiters der Musikfestspiele Maggio Musicale Fiorentino, die kurz vor der Schließung stehen. Ein Schicksal, das auch bald andere Opernhäuser und Musikfestspiele ereilen könnte. Dass hier die Kommission zu spät kommen könnte, mag Bray bewogen haben, eine Arbeitsrunde einzuberufen, um Richtlinien zur Lösung des Problems zu erörtern. Die Zeit drängt.

Am Samstag hat die Unesco Italien ein Ultimatum gestellt, bis Dezember 2013 die erforderlichen Maßnahmen zur Rettung des Weltkulturerbes Pompeji zu ergreifen. Denn trotz EU-Gelder ist zur Sanierung von Pompeji, wo wegen der Streiks ebenfalls hunderte Touristen in der glühenden Sonne auf das Ende der Belegschaftsversammlungen warteten, bisher wenig geschehen. Die Unesco behält sich vor, die Rettungsmaßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls das Weltkulturerbekomitee 2014 einzuschalten. (Eva Clausen aus Rom, DER STANDARD, 1.7.2013)