Sofia/Istanbul - Von seinem ersten Auftritt bei einem EU-Gipfel kann Bulgariens neuer Premier Plamen Orescharski zumindest eine Zahl mitbringen: Die angekündigte Sechs-Milliarden-Hilfe zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in der EU wird auch Bulgarien, dem ärmsten Land der Union, zugute kommen. Danach aber wird es schon wieder eng für den Finanzfachmann: vier Wochen im Amt, seit zwei Wochen Straßenproteste.

Täglich müssen Orescharski und seine Minister im Kabinett nun gegen Rücktrittsforderungen argumentieren. Es würde nur die Wirtschaftskrise schlimmer machen, erklärte Innenminister Tswetlin Jowtschew am Freitag im Fernsehen. Da flogen schon wieder Gurken, Eier und Tomaten auf den Eingang des Parlaments in Sofia. Eine Sitzung fiel diese Woche schon aus, weil sich nicht genug Abgeordnete durch die wütende Menge trauten. Neuwahlen im Herbst scheinen vielen bereits das wahrscheinlichste Szenario.

Vier Monate politischer Stillstand seit dem Rücktritt der Regierung von Boiko Borissow im Februar und Neuwahlen im Mai haben die Konjunktur nur weiter abgeschwächt, stellt das Außenwirtschaftscenter der WKO in Sofia in seinem jüngsten Bericht fest. Im Vergleich zum ohnehin sehr schwachen 1. Quartal 2012 legte die Wirtschaft im ersten Viertel dieses Jahres nur um 0,4 Prozent zu - hauptsächlich durch Exporte, der Konsum nimmt weiter ab.

Ein Posten für Ataka

Die von Sozialisten und der Partei der türkischstämmigen Bulgaren getragene Regierung kann nur mit Hilfe der rechtsextremen Ataka regieren. Deren Chef Wolen Siderow gab sie nun den Posten des Ausschussvorsitzenden zur Korruptionsbekämpfung. Doch es war eine andere Personalie, die die Bürger erboste: Medienmogul Deljan Peewski sollte Geheimdienstchef werden. Sonntag wird ein neuer Bürgermeister in Warna gewählt, wo die Bevölkerung nun offen gegen das Unternehmerkartell TIM rebelliert. (mab, DER STANDARD, 29.6.2013)