Nicht mehr "kulinarische Abenteuer", sondern "Sarah Wieners erste Wahl": In zehn Folgen stellt die TV-Köchin Produkte aus sieben verschiedenen europäischen Ländern vor. Folge 2: Brot aus Bayern.

Foto: ORF/Zero One Film

STANDARD: Der ORF muss sparen. Spüren Sie's?

Wiener: Was heißt! Ich musste heute zum Küniglberg stoppen (lacht). Nein, wir machen eine Koproduktion mit ORF und Arte, viel zu Sparen gibt's da nicht. Ich werde nicht jährlich um fünf Prozent teurer, alles im grünen Bereich.

STANDARD: ORF-Mitarbeiter haben neuerdings strenge Regeln bezüglich Einladungen. Strahlt das aus?

Wiener: Ich bin keine ORF-Mitarbeiterin, aber was meinen Sie? Dass ich vom Fastfood-Restaurant meinen monatlichen Gutschein nicht mehr kriege? Oder dass ich von den internationalen Ketten keine zwanzig Prozent mehr kriege? Ja, leider, ich bin wirklich traurig, dass ich diese Vorteile aufgeben muss. (lacht)

STANDARD: Eine Kochsendung mit Botschaft - bringt das was?

Wiener: Der Boom der Kochsendungen ist nur möglich, weil offensichtlich viele gar nicht mehr kochen können. Sonst müssten sie sich nicht zeigen lassen, wie man ein Schnitzel macht. Kochsendungen befriedigen eine Sehnsucht nach einer atavistischen Leistung, die nicht mehr erbracht wird. Offensichtlich gibt es eine schwere Verunsicherung über das Essen in unseren Breitengraden.

STANDARD: Also kann man nicht sagen, dass das Publikum von Kochshows gesünder isst? Deprimierend, oder?

Wiener: Deprimierend ist, dass wir mit Nahrungsmitteln gefüttert werden, von denen wir nicht mehr wissen, was drinnen ist. Es gibt viele, die meine Sendungen mögen. Und es ist in der heutigen Medienlandschaft untypisch, eine Frau über fünfzig zu zeigen, noch dazu ungeschminkt ...

STANDARD: Das fällt allerdings wirklich auf. War das Ihr Wunsch?

Wiener: Wieso sollte ich mich denn schminken? Wenn die Bäuerin, der Bauer neben mir ungeschminkt ist und wir zusammen in den Schweinestall zum Ausmisten gehen? Ich finde mich oft nicht attraktiv, aber ich bevorzuge die Wahrheit. Das sagt etwas über Selbstliebe und Selbstverständnis aus.

STANDARD: Sie strapazieren aber bisweilen schwer die Illusion von der heilen Welt mit gesunden Produkten, für jedermann zugänglich.

Wiener: Im Gegenteil. Das Fiese ist, dass uns eine Generation heranwächst, die nicht mal mehr Sehnsucht nach Natur und Ursprünglichem entwickeln kann, weil sie sie nie kennengelernt hat. Deshalb ist diese Sendung als Statement wichtig, weil ich einen Pfosten einrammen möchte gegen das Vergessen. Wenn ich Ihnen zeige, dass meine Tomate einen Namen hat, hoffe ich, dass Sie morgen in den Supermarkt gehen und den Händler nach dem Namen dieser Tomate fragen. Und wenn er Ihnen die Hybridtomate mit der Nummer X10213 zeigt, können Sie sich fragen, ob Sie X10213 essen möchten oder lieber die Schwarze Sarah.

STANDARD: Schwarze Sarah, ganz klar - aber wie komme ich zu ihr?

Wiener: Eine russische Sorte. Wir müssen den Glauben haben, dass wir etwas tun können, weil sonst können wir uns gleich alle hinlegen zum Sterben.

STANDARD: Aber mit Bio ist es eine Sache. Da fahren Sie durch die Gegend und stellen köstliche Produkte an entlegenen Orten vor, dabei ein Tross an Produktionsleuten, die alle in Flugzeug und Auto anreisen, nicht sehr grün, oder?

Wiener: Ein Tross fährt da eigentlich nicht mit. Es sind mit mir zwischen sechs und sieben Leute vor Ort. Für ein professionelles Fernsehteam ist das winzig. Aber es stimmt schon, das ist ein Thema. Ich fahre viel Zug, aber dass ich den Rest meines Lebens je auf den Flieger verzichten werde, glaube ich nicht. Ich werde nicht morgen aufwachen und ein anderer Mensch in einer anderen Gesellschaft sein. Nur kann man fragen, ob das Aufbereiten und Konservieren von wertvollen Produkten für ein Publikum diesen Nachteil nicht aufwiegt. Das sollte man ethisch-moralisch gesellschaftlich diskutieren. Würde ich sofort machen.

STANDARD: In "Sarah Wieners erste Wahl" lachen Sie weniger als bei den "kulinarischen Abenteuern". Ist das Absicht?

Wiener: Das kann sein. Ich fand sowieso immer, dass ich zu viel gelacht habe, aber das ist halt mein Wesen. Es war aber insgesamt etwas ernsthafter, denn ich kenne schon zu viel. So zu tun, als würde ich zum ersten Mal in meinem Leben Traktor fahren, Würstel machen, wäre nicht ehrlich gewesen. Bei den kulinarischen Reisen war ich die naive Neugierige, jetzt gehe ich mehr in die Tiefe. (Doris Priesching, DER STANDARD, 29./30.6.2013)