Wien - Die ÖVP hat beim Lehrerdienstrecht die Regierungslinie vollends verlassen. Sie schlägt nun die Einführung eines Jahresarbeitszeitmodells auf Basis einer neuen Studie über die Arbeitszeit der Lehrer vor.

Darauf verständigten sich Vizekanzler und ÖVP-Chef Michael Spindelegger, Finanzministerin Maria Fekter, Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sowie GÖD-Chef Fritz Neugebauer und die Vorsitzenden der einzelnen Lehrergewerkschaften am Donnerstagabend. Der derzeitige Regierungsvorschlag hat für den Verhandlungsführer der Lehrer, Paul Kimberger, damit "keine Chance mehr auf Realisierung".

Vorschlag widerspricht Regierungsentwurf

In einem Jahresarbeitszeitmodell,  wie es derzeit für die Pflichtschullehrer gilt, werden die unterschiedlichen Tätigkeiten wie Unterrichten, Vorbereiten und Nachbereiten mit einem gewissen Stundenkontingent pro Jahr ausgestattet. Diese sind dann von den Lehrern in den einzelnen Gebieten abzuleisten. Ein solches Modell steht im Gegensatz zum derzeitigen Regierungsentwurf und dem aktuellen Dienstrecht für höhere Schulen, die eine reine Unterrichtsverpflichtung von 24 Stunden pro Woche vorsehen, womit alle anderen Tätigkeiten inkludiert sind.

Studie soll Umfang der Tätigkeiten klären

Spindelegger sprach von einer "tauglichen Grundlage, zu einem Ergebnis zu kommen. Wir hatten ja bisher eine völlige Blockade - da ging nichts mehr weiter." Das Jahresarbeitszeitmodell solle aufgrund einer neuen, detaillierten Studie für alle Lehrer und Schultypen erarbeitet werden. Die Studie soll etwa klären, welche Tätigkeiten in welchem Umfang eingerechnet werden. "Arbeitszeit ist nicht nur Unterrichtszeit - das gestehen auch wir zu", so Spindelegger.

Gleichzeitig sei aber klar, dass aufgrund der neuen ganztägigen Angebote Lehrer auch mehr Zeit bei den Schülern verbringen sollen, meinte Spindelegger. So solle es - wie bereits seit langem angekündigt - mehr Unterstützungspersonal für die Pädagogen geben. Das, was sich Lehrer dadurch an Arbeit etwa im EDV-oder Verwaltungsbereich ersparen, solle direkt in die Unterrichtszeit fließen. Von den 26 Stunden Anwesenheitspflicht für alle Lehrer, die Spindelegger vor dem Treffen gefordert hatte, war am Donnerstagabend keine Rede mehr.

Gemeinsames Dienstrecht erst ab 2019

Beim Gehalt sei klar, dass Lehrer am Anfang mehr verdienen und über die gesamte Lebenszeit gesehen keine gröberen Gehaltseinbußen erleiden sollen, so Spindelegger. Dienstrechtlich solle es bis 2019, wenn die ersten Absolventen der neuen Lehrerausbildung mit ihrem Studium fertig seien, wie bisher eine Differenzierung zwischen Pflichtschullehrern und Lehrern an höheren Schulen geben. "Dann kann es auch ein gemeinsames Dienstrecht für alle Lehrer geben."

Die Details sollen nun Fekter und Töchterle mit den SPÖ-Ministerinnen Claudia Schmied und Gabriele Heinisch-Hosek sowie der Gewerkschaft klären. "Es ist Bewegung in die Sache gekommen", meinte Spindelegger. "Wir haben in Grundzügen eine Richtung."

Kimberger freute sich wiederum über die Zusage, "dass eine so große Reform nur mit den Lehrern gemeinsam gemacht werden kann. Alle Tendenzen, das einfach durchzuziehen, wurde eine Absage erteilt." Der derzeitige Dienstrechtsentwurf - für Kimberger nur mehr "das Schmied-Papier" - habe keine Chance mehr auf Realisierung.

Nächste Verhandlungsrunde am 3. Juli

Auch Kimberger ist der Ansicht, dass sich Töchterle verstärkt in die Verhandlungen einbringen soll. Gerade im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Arbeitszeitstudie sei seine Expertise gefragt. Bei der nächsten Verhandlungsrunde am 3. Juli mit der Regierung werde man die Studie erneut thematisieren.

Schmied sieht keinen Widerspruch

Die SPÖ zeigt sich von dem ÖVP-Vorschlag unbeeindruckt und will noch vor der Wahl das Dienstrecht reformieren. "Wir hoffen, dass bei der nächsten Verhandlungsrunde ein Ergebnis auf Basis des Regierungsentwurfs gesucht wird", hieß es aus dem Bundeskanzleramt und von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Im Unterrichtsministerium kann man keinen Widerspruch zwischen Regierungsvorschlag und dem zwischen ÖVP und Lehrern vereinbarten Jahresarbeitsmodell erkennen. Das Regierungsmodell habe ohnehin eine Jahresarbeitszeit von 1.776 Stunden als Grundlage.

Allerdings sind in dem Modell 24 Wochenstunden - und damit bis zu vier mehr als derzeit - als Unterrichtsverpflichtung vorgesehen, was die Gewerkschaft vehement ablehnt."Inwieweit der Vorschlag des Vizekanzlers auf mehr Anwesenheit in der Schule umgesetzt wird, soll danach in einer Arbeitszeitstudie erhoben werden", sagt Schmied zum weiteren Vorgehen.

Heinisch-Hosek verwundert

Noch am Freitagvormittag hatte sich Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) verwundert über den Schulterschluss der ÖVP mit der Lehrergewerkschaft gezeigt. "Die Zustimmung der ÖVP zu diesem Gewerkschaftskurs kann ich nicht nachvollziehen", zitierte sie der "Kurier". "Wir haben eine gemeinsame Regierungsposition vorgelegt, wo auch Vorschläge der Gewerkschaft eingearbeitet wurden", sagte Heinisch-Hosek. Aus ihrer Sicht wird der nächste Verhandlungstermin am Mittwoch aber trotzdem stattfinden. "Wir wollen gemeinsam zu einer Lösung kommen und dieselbe Haltung würden wir von unseren Gesprächspartnern erwarten."

Eine von Spindelegger ins Spiel gebrachte Übergangslösung bis 2018 lehnt Heinisch-Hosek ab. Dann sollen die ersten Absolventen der neuen Lehrerausbildung mit Pflicht zum Master für alle an den Schulen anfangen. "Die neuen Junglehrer sollen sofort mit einem neuen Dienstrecht beginnen." Zustimmung kommt von ihr lediglich zur Forderung nach einer Arbeitszeitstudie: "Machen wir diese Studie. Sofort." Nach Vorliegen der Ergebnisse könne man das Dienstrecht anpassen: "Aber wir dürfen es nicht auf die lange Bank schieben." (APA, 28.6.2013)