Ein Tisch aus Schalungsplatten vom Bau und Zurrgurten als gelungenes Beispiel für ein Objekt, das mit einfachen Werkzeugen und vorgefertigten Teilen aus dem Baumarkt zusammengebaut werden kann - ersonnen wurde der "MAK-Table" von der italienischen Gruppe Recession Design. Das Möbel ist eines von vielen Objekten der Mak-Schau "Nomadic Furniture 3.0", die einen sehr breiten Überblick über das gibt, was "Do it yourself" alles sein kann.

Foto: Recession Design / Max Rommel

Sebastian Hackenschmidt: "Die Industrie schaut sich an, was die Leute für sich selbst entwickeln - und sieht so, welche neuen Bedürfnisse die Menschen haben."

>>> Zur Ansichtssache: Nomadic Furniture 3.0

Foto: Recession Design / Max Rommel

STANDARD: Was ist schöner, ein Nagel oder eine Schraube?

Hackenschmidt: Von der Geste des Machens her ist das Nageln sicher schöner. Von der Funktionalität beim Selbermachen von Möbeln her ist die Schraube nicht zu schlagen, nicht durch den Nagel.

STANDARD: Nägel, Sägen, ganze Baumärkte verströmen eine eigene Art von Ästhetik.

Hackenschmidt: ... eine schon fast uniforme Baumarkt-Ästhetik. Die Rohmaterialien prägen den Look des Selbstgemachten. Da setzen die Baumärkte ja auch ganz gezielt in ihren Werbekampagnen drauf.

STANDARD: Warum ist "Do it yourself" im Moment ein so starker Trend?

Hackenschmidt: Zum einen gibt es eine Begeisterung fürs Selbermachen, weil wir uns handwerklich zu wenig betätigen und zu viel am Computer sitzen. Andere Do-it-yourself-Macher beschwören die Krise, denken Sie an die sogenannten Hartz-IV-Möbel. Dann sind da auch noch die Nerds und Hobbybastler, die einfach nur Spaß an der Sache haben und gerne tüfteln.

STANDARD: Also ist der Do-it-yourself-Trend auch ein gesellschaftskritisches Phänomen?

Hackenschmidt: Das ist schwer zu sagen, es ist ja ein echtes Breitenphänomen. Es gibt auch kaum einen Designer, der sich heute nicht damit beschäftigt. Trotzdem hat die Sache auch einen Hauch von Konsumverweigerung und Subversion.

STANDARD: Handelt es sich nur um eine Modeerscheinung, oder entwickelt sich da etwas Dauerhaftes?

Hackenschmidt: Das Experimentieren mit den neuen Geräten, zum Beispiel 3-D-Druckern und all den neuen Kunststoffen, das wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Ob das klassische Schrauben und Nageln an Holzmöbeln als Trend bleibt, wage ich nicht zu sagen.

STANDARD: Also sind es vor allem neue Technologien, die diesen Trend begünstigen?

Hackenschmidt: Eigentlich handelt es sich dabei um eine Art Selbstermächtigung, um eine Aneignung von neuen Technologien. Amateure können ohne Verwertungszusammenhänge der Industrie experimentieren. Das ist schon sehr interessant.

STANDARD: Zum Beispiel?

Hackenschmidt: Nehmen Sie zum Beispiel Steckverbindungen für Regale, die man sich mit einem 3-D-Drucker einfach in verschiedenen Größen und Farben ausdruckt. Damit kann man flexible Module bauen, die zu wuchernden Systemen werden.

STANDARD: Wie geht die Industrie damit um?

Hackenschmidt: Die kann davon nur profitieren. Die Industrie schaut sich einfach an, was die Leute für sich selbst entwickeln - und sieht so, welche neuen Bedürfnisse die Menschen haben. Das kann dann industriell perfektioniert und professionell vermarktet werden.

STANDARD: Und das Internet bietet omnipräsent die Anleitungen.

Hackenschmidt: Früher wurden die Anleitungen hauptsächlich in Büchern und Zeitschriften veröffentlicht, heute eben vermehrt im Netz. Da gibt es von Designern auch neue Marketingstrategien, wie zum Beispiel "Design for Download".

STANDARD: Welche Rolle spielen ökologische Gedanken hinter dieser Bewegung?

Hackenschmidt: Ich glaube nicht, dass ökologische Nachhaltigkeit unbedingt eine zentrale Rolle in diesem Bereich spielt, abgesehen von der Tatsache, dass die Transportwege durch die Dezentralisierung viel kürzer sind. Und hinsichtlich der sozialen Nachhaltigkeit könnte eigentlich gelten: Don't do it yourself - do it with others! Das gilt natürlich auch für die Fab-Labs, sehr interessante Einrichtungen, also offene Hightech-Werkstätten, in denen mit computergesteuerten Maschinen verschiedenste Produkte selbst hergestellt werden können. Man wird einfach Mitglied und muss die Geräte nicht eigens kaufen.

STANDARD: Wie ist das mit den sprichwörtlichen zwei linken Händen? Braucht man Talent zum Heimwerken?

Hackenschmidt: Na ja, ein bisschen wohl schon. Es gibt unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und ganz einfache Möbel, da kann man wirklich nicht viel falsch machen. Aber für viele Dinge muss man schon ein wenig Zeit und Geduld haben.

STANDARD: Sind Sie handwerklich talentiert?

Hackenschmidt: Sicher nicht, obwohl in der Ausstellung auch ein halbwegs brauchbarer Sessel steht, den ich gebaut habe. Verglichen mit den Möbeln, die ich in der Möbelsammlung des Mak habe, ist das natürlich ein absolutes Kinderspiel. Da begreift man einmal mehr, was so manche Tischler draufhaben. Hut ab!

STANDARD: Was soll der Besucher aus dieser Ausstellung hier mitnehmen?

Hackenschmidt: Einen kritischen Blick auf das Massenphänomen. Wir wollen nicht nur zeigen, was da ist, sondern auch hinterfragen, ob die Sache wirklich zu einer Befreiung von Konsumzwängen, Geschmacksdogmen und Gestaltungsnormen führt. Der Markt ist natürlich dreist und bringt inzwischen sogar einstige Selbstbaumöbel als Klassiker-Editionen heraus, die vollständig zusammengebaut verschickt werden. Eigentlich absurd. Uns geht es aber auch um ein historisches Bewusstsein dafür, dass momentan in der DIY-Bewegung viele Aspekte gleichermaßen relevant und präsent sind: Hobbybasteln ebenso wie die Reaktion auf wirtschaftliche Notzeiten, neue Vermarktungsstrategien ebenso wie Konsumverweigerung. Das kann in zwei, drei Jahren schon wieder vorbei sein. Aber noch wird viel von der Krise geredet. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 28.6.2013)

>>> Zur Ansichtssache: Nomadic Furniture 3.0