Der Salzburger Felix Baumgartner schreibt Geschichte. Am 14. Oktober 2012 fiel er aus 39.000 Metern Höhe zurück auf die Erde: " Rechtssicherheit in Österreich? - Fehlanzeige!"

Foto: Balazc Gardi / Red Bull

 "Himmelsstürmer" bietet nicht nur die gewohnte Sprache der Sieger, sondern gewährt auch Einblick in das Innenleben eines Menschen am Limit.

Wien - Manche Geschichten beginnen mit einem Gefühl des Eingesperrtseins. Die Überwindung von Mauern, Konventionen oder Sachverhalten, die von allen anderen Menschen als unüberwindbar erachtet werden, das ist das Ziel! Die Geburt des Abenteuers, der Motor hinter jedem Ausbruchsversuch oder Befreiungsschlag ist der Gizi darauf, dass die große weite Welt der Kindheit später so klein wird. Hallo, früher waren sogar die Cornetto-Eistüten größer und bunter!

In seinen nun vorliegenden Lebenserinnerungen "Himmelsstürmer - Mein Leben im freien Fall" wird dieses ewige Gefühl, dass es da noch mehr im Leben geben muss, von Felix Baumgartner recht eindrücklich geschildert: " Die zwei Gefängnisse meines Lebens waren der Druckanzug und meine Lehrzeit als Maschinenschlosser. Zuerst war ich ein Jahr bei einer Firma, wo ich Serienarbeit verrichten musste. Im ersten Jahr darfst du nur zusammenkehren und bohren, im zweiten Jahr drehen, im dritten fräsen, aber immer Serienarbeit. Tausend Siebener-Löcher in der Woche. Das war langweiliger als der Tod."

Der 1969 in Salzburg geborene Felix Baumgartner bricht aus. Er wird Kfz- Mechaniker, Panzerfahrer und dann Ausbildner bei den Fallschirmspringern in der Heeressport- und Nahkampfschule in Wiener Neustadt. Auch dort immer wieder Schwierigkeiten mit den sogenannten Sachzwängen des Lebens ("dumme Befehle"). Er wird entlassen, wird Boxer und absolviert einen Profikampf, den er mit einem K. o. in der ersten Runde gewinnt. Weiter, weiter.

Schließlich die Freiheit als Basejumper, die Christusstatue in Rio de Janeiro, die Petrona Towers in Kuala Lumpur ("Ich bekam die Auflage mit auf den Weg, in Zukunft nur noch in Österreich von Hoteldächern zu springen."). Felix Baumgartner springt von Brücken, in Höhlenschächte, von Wolkenkratzern - und er überquert den Ärmelkanal im Gleitflug. All diese kurzen Momente des völlig losgelösten und doch gravitationsbedingten Wiedereintauchens in die Welt der Menschen, die sich nicht getrauen zu fliegen: ein Traum! Baumgartner trägt auf einem Unterarm ein Tattoo: "Born to fly". Auch Selbstbetrug ist eine wichtige Voraussetzung für einen "Himmelsstürmer".

Wir erfahren in dieser recht lapidar in der Sprache der Sieger verfassten Autobiografie auch über einen anderen Gizi, den zutiefst menschlichen auf das Finanzamt: "Rechtssicherheit in Österreich? - Fehlanzeige!" Dieses wollte den seit 1997 bei Red Bull unter Vertrag stehenden Baumgartner nicht als steuergeschonten Sportler anerkennen. Eine Schmach, die bis heute nicht überwunden ist und ihn ins Nachbarland Schweiz scheuchte.

Träume, Tränen, Triumphe

In den diesbezüglichen Passagen des Buchs verlässt Baumgartner auch die souveräne Zurückhaltung, von der der "Himmelsstürmer" sonst geprägt ist. Er offenbart menschliche Einblicke, die das Alphamännchen sonst nur bezüglich Familienplanung aufzugeben bereit ist. Sehr hübsch auch der diesbezügliche Kunstgriff des Ghostwriters Thomas Becker, in einem angefügten Interview mit Baumgartners Mutter doch auch etwas über die Ängste, Träume, Ziele und Beweggründe des Sohnes zu erfahren: "Solange der Kopf noch dran ist, ist es halb so wild."

Am Ende schlägt Baumgartner den Bogen von den Dreimetersprüngen von den Bäumen seiner Kindheit zu den legendären 39.000 Metern aus der Stratosphäre zurück auf Mutter Erde am 14. Oktober 2012: "Erst wenn man eine Sache für sich abschließt, ist man wirklich frei. Träume, Tränen und Triumphe." (Christian Schachinger, DER STANDARD, 28.6.2013)