Es sind im wahrsten Sinne des Wortes bahnbrechende Urteile, die der Oberste Gerichtshof der USA da gesprochen hat. Auf der einen Seite hob er am Mittwoch zur großen Freude der Homosexuellenverbände und des liberalen Amerika ein Gesetz auf, das die Ehe als einen Bund zwischen Mann und Frau definierte. Auf der anderen setzte der Supreme Court tags zuvor jene Teile des Wahlrechts von 1965 außer Kraft, die mit der Rassentrennung aufräumten und Minderheiten in den Südstaaten, also vor allem Schwarze, vor gesetzlicher Diskriminierung schützten.

Die zwei Erkenntnisse des mit fünf gegen vier Richter gesellschaftspolitisch zumeist konservativ tendierenden Gerichtshofes mögen auf den ersten Blick verwirrend widersprüchlich erscheinen. Eine Grundaussage aus bester amerikanischer staatspolitischer Tradition teilen sie jedoch: Der Staat möge sich doch bitte möglichst aus dem Leben der Menschen heraushalten, die Bürger sollen weitgehend tun und lassen können, was sie wollen.

Auch die Begründung ist interessant: Im Falle der Homo-Ehe erkennt das Gericht an, dass das Verbot gesellschaftlich nicht mehr zeitgemäß ist - eine Mehrheit der Amerikaner ist für die "gay marriage", das alte Spaltpilzthema hat seine politische Sprengkraft verloren. Genauso argumentiert der Supreme Court beim Wahlrecht: Ein besonderer Schutz sei nicht mehr zeitgemäß. Allein, eine Reise durch die US-Südstaaten kann vom Gegenteil überzeugen. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 27.6.2013)