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Es kann nur ein Hirsch röhren - Georg Riedel gibt deshalb 2013 die Führung des Unternehmens an seinen Sohn ab.

Foto: dpa/Carsten Rehder

"Man blickt auf eine Erbfolge zurück, die Vermögen vermehren konnte", sagt Georg Riedel, "in einem Familienunternehmen darf es einen nie als Letzten erwischen."

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STANDARD: Sie wissen das als Glashersteller sicher: Bringen Scherben wirklich Glück?

Riedel: Ja, weil man aus Scherben Neues kreieren kann.

STANDARD: Wie viel Glück braucht ein Unternehmer?

Riedel: Nachdem man heute alles in die Waagschale legt, ist das alles Entscheidende das Quäntchen Glück. Wer kein Glück hat, kann auch nicht erfolgreich sein.

STANDARD: Sie übergeben die Führung heuer Ihrem Sohn. Wird einem da nach fast zwanzig Jahren an der Spitze ein wenig mulmig?

Riedel: Ich sehe das positiv. Es gibt einen Nachfolger und geordneten Übergang, darauf sind wir stolz. Es ist das zehnte Mal, das ein Generationswechsel stattfindet, die elfte Generation ist besonders begabt.

STANDARD: Ihr Vater hat sich auch in hohem Alter nur sehr ungern zurückgezogen...

Riedel: Wahrscheinlich hat mein Vater mir weniger vertraut als ich meinem Sohn.

STANDARD: Hat Sie das getroffen?

Riedel: Nein, er war ein anderer Mensch. Ich bin der Meinung, es ist ein guter Zeitpunkt, mich zurückzuziehen. Auch meine Mannschaft, mit der ich die vergangenen 40 Jahre gearbeitet habe, geht in den Ruhestand. Mein Sohn Maximilian kommt aus Amerika zurück, ich habe meine Zeit gehabt und durfte sie gut nutzen. Hier im engen Inntal kann nur ein Hirsch röhren. Als fast alleiniger Eigentümer bleibe ich dem Unternehmen aber weiter stark verbunden.

STANDARD: Wird Ihr Sohn an Riedel beteiligt?

Riedel: Das habe ich mir bewusst für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten.

STANDARD: Riedel hat bisher zehn Generationen überdauert. Das Umfeld ist hart. Wie viel Druck lastet auf jungen Nachfolgern?

Riedel: Man blickt auf eine Erbabfolge zurück, die Vermögen vermehren konnte. In einem Familienunternehmen darf es einen nie als Letzten erwischen. Die Führung ist daher mit großen Emotionen belastet.

Standard: Was hat Sie über all die Jahre angetrieben? Es waren Wirtschaftskrisen dabei, Sie mussten deutsche Werke schließen.

Riedel: Blickt man eine Karriere zurück, so ging es auch bergab. Die Klippen muss man bereit sein zu meistern. Ich habe versucht, Fehler immer nur einmal zu machen. Und ich habe Freude an der Arbeit gehabt.

STANDARD: Sie wirken nach außen stets tadellos und elegant, nie die Contenance verlierend. Erlauben Sie mir die Frage, aber machen Sie manchmal auch was Verrücktes?

Riedel: Eine sehr private Frage. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, trage das aber nicht zur Schau, versuche immer die Fassung zu wahren. Aber mir fehlt es weder an Lebensfreude noch an Ausdrucksstärke.

STANDARD: Sie waren im Dienste des Unternehmens mehr als die Hälfte des Jahres auf Reisen. Wollen Junge das noch, zumal es mit einem Familienleben schwer vereinbar ist?

Riedel: Jeder muss selbst entscheiden, wie er das Geschäft wachsen lässt. Trotz aller technischen und elektronischen Möglichkeiten ist man aber gut bedient, sich persönlich über Marktströmungen zu informieren. Wir bedienen den Weltmarkt, starke Reisetätigkeit ist mit dem Job verbunden.

STANDARD: Riedel engagiert sich stark in China. Derzeit trinken Chinesen jedoch nur eine halbe Flasche Wein im Schnitt im Jahr. Ist da wirklich so viel Potenzial drinnen?

Riedel: Der chinesische Markt wird für Luxuskonsumgüter der wichtigste Markt. Und er wird die USA in den kommenden 25 bis 30 Jahren überflügeln. Bleibt die Stabilität des Landes gewährleistet, gibt es dort weiterhin zweistellige Zuwachsraten.

STANDARD: Haben Sie niemals überlegt, in China zu produzieren?

Riedel: Nein. Es wäre verlockend, denn es wird dort mit großer Präzision gearbeitet, nicht mehr nur auf billig. Unsere Standorte sind aber in Mitteleuropa, wir sind stolz darauf, diese weiter auslasten zu können.

STANDARD: Warum reizt es Sie nicht, Milliardenkonzerne wie Ikea zu beliefern?

Riedel: Es gibt Grenzen, welchen Markt wir mit unseren Kosten bedienen können. Gläser um einige Euro sind unerreichbar. Wir fühlen uns ab fünf Euro pro Glas wohl.

STANDARD: Riedel betreibt drei deutsche und zwei österreichische Werke. Standortgarantien gibt es nie, aber lassen sich diese Kapazitäten auf Dauer noch halten?

Riedel: Wir hoffen, sie ausbauen zu können. Ist die Weltkonjunktur einigermaßen stabil, haben wir mit Auslastung keine Probleme. Würden wir in Österreich von Krise reden, müssten wir alle lügen. Arbeitslosigkeit von sechs Prozent entspricht in anderen Ländern Vollbeschäftigung. Wir spüren in Portugal, Spanien, Italien gedämpfte Nachfrage, gleichen das aber durch skandinavische und asiatische Märkte aus. Da wir weltweit aufgestellt sind, hängen wir nicht von wenigen Märkten ab. 2012 war ein gutes Jahr.

STANDARD: Die Tiroler Glashütte wies in ihrer Bilanz zuletzt aber Millionenverluste aus.

Riedel: Wir hatten einen Wannenausfall in den Fabriken. Das wichtigste Produkt, maschinengeblasene Bleikristallkelche, brach weg und damit der Umsatz. 2012 gab es das gleiche Ergebnis wieder in Plus.

STANDARD: Wird es bei Weingläsern bleiben?

Riedel: Kaffee, Tee. Softdrinks: Wir sind bestrebt, unser Konzept auf nichtalkoholische Getränke zu erweitern.

STANDARD: Waren nicht auch einmal Glasdächer oder Scheinwerfer angedacht?

Riedel: Manchmal glaubt man, man kann da mitmachen, dann ist es aber besser, bei seinem Leisten zu bleiben. Wir haben nicht die produktionsspezifischen Maschinen dafür.

STANDARD: Fünf Prozent Ihrer Gläser werden handgefertigt. Die Ausbildung eines Glasbläsers dauert bis zu zwölf Jahren...

Riedel: ... das hängt vom Talent und Fleiß des Mitarbeiters ab.

STANDARD: Tun sich das Lehrlinge heutzutage noch an?

Riedel: Gott sei Dank, ja. Der Anteil der Gastarbeiter ist aber hoch. Die Österreicher haben lieber Schreibtischjobs. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 12.4.2013)