Der wahre Nutzwert eines großen Badetuchs lag in seinen Entfaltungsmöglichkeiten.

Foto: Andrea Maria Dusl

Pro: Häusliche Freuden
Von Ronald Pohl

In den Jahren, als die Sinalco-Sonne über Capri aufging, war das Frotteehandtuch ein Produkt mit hohem Nutzwert. Das Gewebe mit dem charakteristischen hochgestellten Faden war ein guter Freund. Als ein solcher begleitete es einen in den Süden. Ergoss sich hinter Udine das vom Kind genossene Frühstück in den Fond des Autos, lag bereits ein Handtuch bereit. Mama musste das Kind nicht rügen. Mit geübter Hand tunkte sie die Sauerei auf und dankte dem Herrgott für die Saugkraft der Gewebeart Frottee. Die Menschen der Wirtschaftswunder-Ära dachten praxisnah. Der wahre Nutzwert eines großen Badetuchs lag in seinen Entfaltungsmöglichkeiten. Die größte Angst, die den Wirtschaftswundermenschen plagte, war die vor der Blasenentzündung. Nasse Badehosen bedeuteten Qualen beim Wasserlassen.

Um nun der bürgerlichen Schamhaftigkeit Rechnung zu tragen, wurde aus dem Tuch ein Zelt geformt. Die Hose glitt in den Sand, sah aus wie panierter Sellerie. Man selbst war fein nackt und doch Wohnungsinhaber.

Kontra: Rutschgefahr
Von Doris Priesching

Im Schwimmbad meiner Wahl steht seit geraumer Zeit eine Umkleidekabine. Mitten auf der Liegewiese ragt ein kleines, nach oben hin offenes Häuschen aus dem Boden und ermahnt die Badegäste stumm, es zu benützen, sooft es nötig ist. Nun ist es nicht so, dass ich auf die Errichtung dieses silberglänzenden Nutzbaus gedrängt hätte, aber ich freue mich an jedem einzelnen Tag, an dem ich eintrete, die Tür hinter mir schließe und mein "Geschäft" verrichte, heißt, das klebnasse Badekostüm gegen ein wohlig trockenes eintausche.

Handwerklich gehöre ich nicht zu den Geschicktesten, was sich in Fragen der Körperverhüllung besonders peinsam äußern kann. Der Handtuchturban fürs Haar verrutscht mir grundsätzlich, ebenso der Umhang zum Umziehen. Währenddessen wackele ich von einem Bein aufs andere, das Tuch gibt längst oben, unten, vorn, hinten alles frei. Es ist nicht zum Anschauen. Ebenso wenig wie ich mich preisgeben möchte, will ich restlos alles von anderen sehen müssen. Also weg mit dem Handtuch, hinein ins Kabäuschen! (Rondo, DER STANDARD, 28.6.2013)