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Ab 2020 soll der CO2-Ausstoß nur mehr 95 Gramm pro Kilometer betragen.

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Grafik: Der Standard

Brüssel/Wien - Die deutsche Autoindustrie zeigte sich am Dienstag empört. Die neuen Abgasvorschriften, auf die sich am Vortag Verhandler der EU-Mitgliedsstaaten und des europäischen Parlaments verständigt hatten, seien viel zu scharf, erklärte Branchenvertreter Matthias Wissmann. Wie in Teilen der Dienstagausgabe berichtet, gelten ab 2020 niedrigere Grenzwerte.

Der Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) soll demnach von derzeit 130 auf 95 Gramm pro Kilometer sinken, was immerhin einer Reduktion um ein Viertel entsprechen würde. Wobei die Limits keineswegs bedeuten, dass jeder Neuwagen darunter liegen muss. Die EU-Werte gelten immer für die gesamte Flotte eines Herstellers und sind auch gewichtsabhängig. Wie schon bisher wird es auch in Zukunft Ausnahmen und Sonderregeln geben, die es den Autobauern erlauben, die Vorgaben zu erfüllen und Sanktionen zu entgehen.

Zur Erklärung des bisherigen Systems: Es wurde 2009 beschlossen und schreibt seit dem Vorjahr den Grenzwert von 130 Gramm CO2 vor. Bis 2015 gibt es allerdings noch eine Übergangsphase. Heuer werden beispielsweise nur 75 Prozent aller Autos eingerechnet. Wie die Grafik zeigt, lagen die Hersteller im Jahr 2010 noch deutlich über den Zielwerten. Jüngste Daten der Europäischen Umweltagentur deuten aber bereits darauf hin, dass heuer kaum ein Autoproduzent die Latte reißen wird. Somit drohen auch keine Strafzahlungen, die für jedes Gramm an Grenzwertüberschreitung vorgesehen und stark ansteigend sind.

Umstrittene Messungen

Wie die Ziele erreicht werden, ist freilich nicht unumstritten. Laut einer im Vorjahr veröffentlichten Studie für die EU-Kommission geht ein Drittel der CO2-Einsparungen im letzten Jahrzehnt auf Schlupflöcher bei den Testverfahren zurück. Bei der Ermittlung des Treibstoffverbrauches setzten die Autobauer beispielsweise spezielle Reifen ein oder fahren auf unrealistisch glatten Straßen, um den Widerstand und somit auch den Spritverbrauch zu reduzieren. Bis 2020 könnten weitere fünf bis zehn Gramm an Einsparungen über die Testverfahren herausgeholt werden, hieß es.

Eine andere Studie, die von den Umweltschützern des International Council on Clean Transportation im Mai veröffentlicht wurde, kam zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach stoßen die Pkw in der Realität im Schnitt um 25 Prozent mehr CO2 aus als von Produzenten angegeben. Vor allem die deutschen Autobauer seien große Schummler. Bei BMW lag die Abweichung bei 30 Prozent, bei der Volkswagen-Tochter Audi bei 28 Prozent und bei Mercedes wurde in der Studie eine Kluft von 26 Prozent festgestellt.

Geplant ist nun in Brüssel, neue Spielregeln für das Messen des Spritverbrauchs zu erarbeiten. Bis jetzt gibt es dazu aber keine Einigung. Freilich ist auch auf technischer Ebene viel passiert. Zur Orientierung: Vor zehn Jahren lag der CO2-Ausstoß im Schnitt noch bei 167 Gramm. Die großen Hersteller investieren viel in Forschung und Entwicklung. VW hat sich etwa das Ziel gesetzt, die EU-Vorgaben deutlich zu unterschreiten.

Autoexperte Bernhard Geringer von der TU Wien hält demnach auch das Ziel von 95 Gramm ab dem Jahr 2020 für "im Großen und Ganzen machbar". "Alle werden versuchen, Strafen zu entgehen - schon aus Imagegründen", erklärte er dem Standard. Er rechnet mit einer weiteren Zunahme an Hybridmotoren, einer leichteren Bauweise und dem Einsatz höherwertiger Materialien.

Wer Elektroautos im Sortiment hat, wird künftig profitieren. Sie werden bei der Ermittlung des Konzernwertes ab 2020 doppelt berücksichtigt, bis 2023 sinkt der Faktor dann wieder ab. Von Greenpeace wird diese Ausnahme aber kritisiert. Sie sei ein Rückschlag für den Klimaschutz, da sie es den Autobauern weiter ermögliche, parallel zu den Elektroautos auch Spritschlucker im Sortiment zu haben.

Ursprünglich waren für die Jahre nach 2020 noch deutlich niedriger Schadstoffwerte vorgesehen - die Rede war von 68 bis 78 Gramm. Vorerst sind sie vom Tisch - ein Erfolg für die deutschen Autobauer, die heftig dagegen lobbyierten. (Günther Oswald, DER STANDARD, 26.6.2013)