Bild nicht mehr verfügbar.

Wikileaks-Chef Julian Assange im August 2012 auf dem Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London. Auch NSA-Enthüller Edward Snowden hat bei der Regierung in Quito um Asyl angesucht.

Foto: EPA/Kerim Okten

Es ist eine Mischung aus Wut, Unverständnis und dem Versuch, die Fehler der eigenen Bürokratie schönzureden. Seit Edward Snowden in Moskau landete, kann die US-Politik nur mehr oder weniger hilflos zuschauen, wie sie vorgeführt wird von einem 30-Jährigen, der es bisher noch immer verstanden hat, seiner Regierung ein Schnippchen zu schlagen.

Barack Obama verfolgt das Drama der Weltreise im Weißen Haus, ohne öffentlich Stellung zu nehmen. Sein Parteifreund Chuck Schumer führt die Riege derjenigen an, die weltpolitische Konsequenzen fordern, zunächst gegenüber Russland. Als der Senator am Sonntag vor die Kameras trat, war er dermaßen aufgebracht, dass ihm gleich zwei peinliche Patzer unterliefen. Zum einen sprach er vom Premier Wladimir Putin, obwohl dieser längst wieder Präsident ist, zum anderen nannte er die Russische Föderation einen Verbündeten, was kein Stratege der Washingtoner Thinktanks unterschreiben würde. "Verbündete sollten würdevoll miteinander umgehen, Putin aber scheint geradezu erpicht darauf, den Vereinigten Staaten einen Finger ins Auge zu bohren", schimpfte er.

Bastionen der Freiheit

Immerhin, John Kerry, der Außenminister mit dem Habitus eines gelehrten Bostoner Weltbürgers, wählte, auf Reisen in Indien, eine gepflegt sarkastische Note. Dass der Ex-NSA-Analyst ausgerechnet in China und Russland Zuflucht gesucht habe, sei schon ziemlich ironisch, "denn beides sind ja solch mächtige Bastionen der Freiheit des Internets".

Aber auch auf Kerrys State Department prasseln heftige Vorwürfe ein. Erst am Samstag, als Snowden sein Versteck in Hongkong verließ, ließ das Amt seinen Reisepass annullieren, nicht schon vor gut zwei Wochen, als der Whistleblower in einem Hotel der früheren britischen Kronkolonie sein erstes Interview gab. Ob die Flucht des Computertechnikers anders verlaufen wäre, hätten die Beamten eher gehandelt, sei dahingestellt (Artikel rechts).

Eric Holder, der Chef des Justizressorts, muss sich die Frage gefallen lassen, warum er einen Auslieferungsantrag stellte, den die Behörden Hongkongs als mangelhaft einstuften. Jacques Semmelman, ein aufs Auslieferungsrecht spezialisierter New Yorker Anwalt, sieht dagegen Hongkong ein falsches Spiel spielen. Zwei Fakten hätten genügen müssen: dass Washington Snowdens Auslieferung beantragte und dass sich der Mann in Hongkong aufhielt.

Anders sieht es Michael Ratner, Gründer des Center for Constitutional Rights. Snowden habe kriminelle Handlungen aufgedeckt, indem er enthüllte, wie die NSA Telefon und Internet überwache. Falls er in Ecuador Asyl suche, genieße er rechtlichen Schutz. Ein 1873 geschlossenes Auslieferungsabkommen zwischen dem südamerikanischen Land und den USA nehme Flüchtige, denen eine der beiden Parteien "Straftaten politischen Charakters" zur Last legt, ausdrücklich vom Vertrag aus. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 25.6.2013)