Abgebaut: Die Bühne des ORF-Studios in Klagenfurt könnte kommendes Jahr leer bleiben.

Foto: Johannes Puch

Wien - Totgesagte leben länger. Zwar wird das jährliche Wettlesen um den Bachmannpreis von vielen seit Jahren eher schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Kommentatoren reden wahlweise von einer Literatur-Casting-Show und einer sommerlichen Klassenfahrt des Verlagswesens - oder von einem Spektakel, im Zuge dessen Juroren bei bestem Büchsenlicht das Feuer auf die lesenden Autoren eröffnen. Doch nun entdecken Literaturbetrieb und Politik eine neue Liebe zur Klagenfurter Veranstaltung.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz schaffte gleichsam im Handstreich, was Ingeborg Bachmanns Erben vor zehn Jahren gelang, als sie wegen Schwarz-Blau den Namen der Dichterin nicht mehr im Titel der Veranstaltung lesen wollten: nämlich eine breitangelegte Diskussion über Sinn, Wert und internationale Ausstrahlung der "Tage der deutschsprachigen Literatur", wie der Literaturwettbewerb seit der Namensänderung im Jahr 2000 etwas sperrig heißt.

Nachdem Wrabetz Donnerstagabend ankündigte, den Bachmannpreis im Zuge eines Sparprogramms streichen zu wollen (die Veranstaltung kostet den ORF Kärnten 350.000 Euro), gehen die Wogen unter dem Stichwort Kulturauftrag des ORF hoch.

Griechische Zustände

Von einer Schande spricht Olga Martynova, die letztjährige Gewinnerin des Bewerbs, eine "unverschämte Provokation und Brüskierung" ortet die IG Autorinnen Autoren. Jurymitglied Daniela Strigl konstatiert den ersten Schritt zu griechischen Zuständen, und auch Bachmannpreis- Kritiker wie Manuskripte-Herausgeber Alfred Kolleritsch sehen eine Form der "literarischen Aktivität, in der Begegnung stattfindet" gefährdet.

Manche Beobachter meinen hingegen, dass der Bachmannpreis schlicht auf die "Geiselliste" des ORF geraten sei, mit der der Sender gegen die Abschaffung der Gebührenrefundierung kämpfe. Genau das vermutet auch der neue Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), der von einem "sehr durchsichtigen Spiel" spricht. Offenbar werde auf dem Rücken der Landesstudios einen "Poker" um die Refundierung der ORF-Gebühren ausgetragen. Dem dürfe man "nicht auf dem Leim gehen". Deshalb zeigt sich Kaiser zurückhaltend bezüglich einer neuen Beteiligung des Landes beim Bachmannpreis, das ja wegen Jörg Haiders umstrittener Kulturpolitik ausgestiegen war.

Anders sieht das der neue Kärntner Kulturlandesrat Wolfgang Waldner (ÖVP). Der Bachmannpreis sei nicht nur eine Auszeichnung für junge Literaten, er sei auch wichtig für das Image des Kulturlandes Kärnten." Mit Stolz können wir diesen Preis unterstützen, um damit eine neue Kultur im Umgang mit der Kultur unter Beweis zu stellen", so Waldner. Er will Mittel aus dem Kulturbudget für Literatur umschichten.

Dass beim Bachmannpreis gravierende Änderungen ins Haus stehen könnten, wurde schon vor Monaten gemunkelt. Völlig überraschend wurde damals die langjährige Organisatorin des Wettlesens, Michaela Monschein, vom ORF abgezogen. (Elisabeth Steiner; Stefan Gmünder, DER STANDARD, 25.6.2013)