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Wenn Geld wirklich die Stille liebt, dann ist es in Russland künftig in guten Händen. Die neue Zentralbankchefin Elvira Nabiullina gilt als Frau der leisen Töne. Das bedeutet keineswegs, dass sie nicht durchsetzungsfähig ist. Aus einer einfachen Familie im provinziellen Ufa stammend, hat sie Karriere in Moskau gemacht, sich als Wirtschaftswissenschafterin in einem Bereich durchgesetzt, der speziell in Russland als Männerdomäne gilt.

Fünf Jahre lang war sie Wirtschaftsministerin, zuletzt war sie Wirtschaftsberaterin Wladimir Putins. Der Posten ist zwar informell, aber möglicherweise mit mehr Macht ausgestattet als der eines Ministers, denn Putins Schattenkabinett im Kreml kontrolliert de facto die offizielle Regierung unter Premier Dmitri Medwedew.

Nun wird Nabiullina Zentralbankchefin. In Russland ist sie die erste Frau, die offiziell zur obersten Währungshüterin ernannt wurde. In den 90er-Jahren war kurzfristig Tatjana Ponomarjowa auf dem Posten der Zentralbankchefin - dies allerdings nur kommissarisch. Nabiullina löst den seit knapp zwölf Jahren amtierenden Sergej Ignatjew ab. Dieser hatte sich in seiner Amtszeit für die Unabhängigkeit der Bank von der Politik starkgemacht und auch zuletzt gegen stärker werdenden Druck seine restriktive Geldpolitik zur Eindämmung der Inflation verteidigt.

Experten zweifeln, ob Nabiullina mit der gleichen Konsequenz kämpfen wird, denn so unumstritten ihre fachlichen Kompetenzen sind, ihre Unabhängigkeit ist es nicht. Sie gilt als absolut loyal gegenüber Putin - und dieser hatte zuletzt mehr Flexibilität in der Geldpolitik gefordert.

Grund dafür sind Wachstumssorgen. Das Wirtschaftswachstum sinkt. Gerüchte, dass die russische Führung die Ökonomie durch eine Abwertung des Rubels ankurbeln will, machten zuletzt die Runde. Nabiullina widersprach den Spekulationen über eine gezielte Devaluation, doch deutete sie eine weichere Hand bei der Zinspolitik an. Möglicherweise erfolgt die erste Zinssenkung schon im Herbst.

Fraglich ist zudem, wie die Zentralbank künftig ihre Aufsichtsfunktion wahrnimmt. Russlands Bankensektor wird von der staatlichen Sberbank dominiert. Eine Demonopolisierung des Marktes wäre nötig, doch die Sberbank leitet mit German Gref ausgerechnet ein langjähriger Förderer Nabiullinas. (André Ballin, DER STANDARD, 25.6.2013)