Seit vielen Jahrzehnten ist dieses Bild bereits bekannt. Der grüne Bundesrat Dönmez nennt es eine "differenzierte Vorgehensweise". Gemeint ist, unterscheiden zu können zwischen den guten Muslimen auf der einen und den bösen Muslimen auf der anderen Seite. Stereotype samt Assimilationslüsten bleiben in dieser angeblichen "Differenzierung" weiterhin aufrecht. Denn der gute Muslim, das ist der säkulare, aufgeklärte, Alkohol konsumierende und Schweinefleisch verzehrende Muslim, während der böse Muslim der streng religiöse, wertkonservative ist, der seine Religion auch ernst zu nehmen beansprucht.

Während sich die Parteichefin Glawischnig "froh" über die Erklärung ihres Parteikollegen Dönmez gibt, weil dieser sich entsprechend der Wertehaltung der Grünen nicht für eine "Abschiebung von Andersdenkenden" einsetzen könne, bleibt ein wesentlicher autoritärer Gedanke in den Ausführungen des aus Oberösterreich stammenden Bundesrats unangefochten. Nämlich jener, der sich nicht nur gegen die derzeitige AKP-Regierung wendet, sondern auf eine verallgemeinernde Art und Weise die "falsch verstandene Toleranz" gegenüber "jenen Strömungen rügt, die eine islamisch-konservativ geprägte Werthaltung salonfähig machen wollen" (O-Ton aus einem Ö1-Interview). Für Dönmez sind diese nämlich "nicht willkommen". Im konspirativen FPÖ-Jargon heißt das "Islamisierung".

Von der sprach Dönmez bereits 2009. Zwar ist es nachvollziehbar, dass manche Grüne sich womöglich mit konservativen Wertehaltungen schwertun. Gleichzeitig wendet sich eine solche Aussage aber gegen eine grundsätzliche Wertehaltung und Programmatik der Grünen selbst: Verschiedene Lebensentwürfe in ihrer Vielfalt als solche zu akzeptieren.

Nun müssten die Grünen - so sie konsequent in ihrer Argumentationslinie bleiben wollen - auch diese Aussage des Herrn Dönmez als eine "demokratischer Unreife" (Akkilic, Grüne Wien) bewerten. Wenn dann ein bisher noch nie in diesem Themenfeld generalisierend mit Verbalattacken aufgetretener Grünen-Repräsentant meint, man müsse bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft sehr genau auf die antragstellenden Personen achten, fühlt man sich an den baden-württembergischen "Muslim-Test" erinnert. Dieser folgte der Devise: Je mehr muslimisch-religiöse Haltung, desto geringer die Chance auf Staatsbürgerschaft. Ist das nicht höchst autoritär und zudem zentralen Werten der Grünen widersprechend?

Was Dönmez in den letzten Tagen zu kritisieren vorgab, war genau das, was er selbst betrieb: Er streute Momente des Generalverdachts ("gewisse Thematiken werden ausgeblendet", die alleine die FPÖ aufgreife) und gab vor, man dürfe "türkische Politik nicht nach Österreich reinholen". Gerade aber Dönmez scheint von den tiefen Gräben zwischen den politischen Lagern der alten Türkei dermaßen beeinflusst, wo das religiöse und das nichtreligiöse Lager lange Zeit einander verfeindet gegenüberstanden. Er geht aber noch einen Schritt weiter und reißt nicht nur die AKP-Sympathisanten, sondern das gesamte muslimisch-religiös- konservative Lager in Österreich in eine diskursive Mitleidenschaft. So wie die verstorbene Innenministerin Prokop einst von den integrationsunwilligen Muslimen sprach. Das waren auch die konservativen. In seiner Erklärung, die die Partei als Entschuldigung akzeptierte, rückt er von diesen Ansichten aber mitnichten ab.

Dönmez zeigte in den letzten Tagen vor, wie weit rechts stehende Positionen Stück für Stück in ein bisher programmatisch anti- rassistisches politisches Milieu Eingang gefunden haben. Werden solche Aussagen verharmlost oder unter den Tisch gekehrt, ist die Gefahr groß, dass diese Aussagen nicht die einzigen bleiben. Selbst in einer Partei, die bisher als konsequent antirassistisch galt. (Farid Hafez, DER STANDARD, 24.6.2013)