Mittels eines sibirischen Schamanenrituals suchte Marcus Coates Lösungen für die von Delogierung bedrohten Mieter eines Hochhauses in Liverpool.

Foto: Rainer Iglar

Innsbruck - In unseren Leben sind wir bisweilen nur noch Performer jener Personen, die andere in uns sehen. Wir leben nicht, wir stellen dar. Identität wird zu etwas Vagem, das irgendwo zwischen den Polen Fiktionalität und Authentizität herumeiert. Gefangen im Drehbuch eines Systems scheint auch die Protagonistin in Willie Dohertys Video Closure (2005), doch über diese Rolle hinauszuwachsen gelingt ihr nicht. Während die Kamera sie verfolgt, lauscht man ihren Gedanken.

Identitäten in der Krise sind Thema von Innsbruck International. Festival of the Arts, einer neuen Biennale für Gegenwartskunst. Die viertägige Veranstaltung, die sich aus dem früheren PerformIC-Festival entwickelt hat, bespielt neun verschiedene Räume und öffentliche Orte der Stadt (u. a. Waltherpark, Kreuzgang Servitenkloster).

Dohertys Video gehört zum Schwerpunkt "Repräsentationen des Selbst", den die Festivalorganisatorinnen Tereza Kotyk und Franziska Heubacher für den Soap-Room in der Alten Seifenfabrik zusammengestellt haben. Wird man wieder etwas zum Besten - oder doch ein verletzliches Stück von sich selbst preisgeben? Diese beiden Optionen standen den Porträtierten im Projekt Cinématons offen: Guillermo Tellechea stellte Menschen wie Künstlerin Esther Stocker oder Musiker Martin Philadelphy dafür 200 Sekunden, die klassische Länge eines Super-8-Films, zur Verfügung.

Während die skurrile Vielfalt einer amerikanischen Vorstadt Thema von Miranda Julys 90-Minüter Ich und Du und Alle, die wir kennen ist (Stiller Speicher, Hypo Tirol, tägl. 14.00), geht es in Lois Weinbergers Installation im Hof des Alten Landhauses um die Mannigfaltigkeit der Ruderalpflanzen. Mit Absicht nahm Marcus Coates eine andere Identität, ein Bewusstsein zwischen Tier und Mensch, an: Im Film Journey to the Lower World (Leopoldstr. 25) schlüpfte er für ein schamanisches Ritual in das Kostüm eines Hirsches, denn es galt eine neue Perspektive zu einem vertrackten Problem einzunehmen. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 22./23.6.2013)