Bild nicht mehr verfügbar.

Mercedes-Teamchef Ross Brawn konnte nach der Urteilsverkündung in Paris zufrieden von dannen ziehen.

Foto: APA/EPA

Paris - Mercedes ist nach seinen umstrittenen Reifen-Testfahrten überraschend mit einem blauen Auge davongekommen. Das deutsch-englische Formel-1-Team wird verwarnt und von der Teilnahme am Young Driver Test im Juli ausgeschlossen. Von einer Geldstrafe und einem Punkteabzug in der WM-Wertung bleibt der Rennstall von Motorsportchef Toto Wolff und Aufsichtsratschef Niki Lauda jedoch verschont.

Auch Reifenlieferant Pirelli wird lediglich verwarnt. Das entschied das Internationale Tribunal des Automobil-Weltverbands FIA am Freitag, die Anhörung am Donnerstag in Paris hatte mehr als sieben Stunden gedauert. Das Urteil könnte vor dem Internationalen Berufungsgericht angefochten werden. Mercedes hat den Spruch bereits akzeptiert und erwägt keine weiteren Schritte.

Der gesamten Führungscrew wird im Gegenteil ein Stein vom Herzen fallen. Zumal Lauda schon vor der Verhandlung hinter den Türen des Salle du Comite auf dem Place de la Concorde versucht hatte, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen.

Auslöser der Aufregung: Mercedes und Pirelli hatten vom 15. bis 17. Mai mit den aktuellen Rennwagen in Barcelona Reifen für den Einheitshersteller getestet. Die sportlichen Regularien verbieten jedoch den Teams Tests während der Saison. Als strafmildernd wurde bewertet, dass Mercedes eine Aussage von FIA-Renndirektor Charlie Whiting als "qualifizierte Erlaubnis missverstanden" habe. Der Rennstall hatte Whiting telefonisch kontaktiert. "Wir haben ihn zweimal angerufen. Er hat zugestimmt", hatte Mercedes-Anwalt Paul Harris in seinem Schlussplädoyer gesagt. Die FIA erklärte eine solche Interpretation jedoch als unzulässig.

Keine böse Absicht

Das Tribunal erklärte in der 20-seitigen Urteilsbegründung, dass der Test nicht durchgeführt worden sei, damit Mercedes einen unfairen Vorteil erlange. Weder Pirelli noch Mercedes hätten zudem zu irgendeinem Zeitpunkt mit schlechter Absicht gehandelt. Nach der zweifachen Rücksprache mit Whiting hätte es für Mercedes keinen Grund gegeben, nicht zu glauben, dass sie Grünes Licht für die Tests hätten, erklärten die Richter.

Die Kammer machte in ihrer Urteilsbegründung dennoch klare Verfehlungen von Mercedes und Pirelli aus. Die Silberpfeile hätten durch den Test mit ihren Rennautos gegen Paragraf 22 des Sportlichen Regelwerks verstoßen. Testfahrten mit aktuellen Autos in der laufenden Saison werden dort untersagt. Zudem hätten Pirelli und das deutsche Werksteam Artikel 151 des International Sporting Code gebrochen. Dort geht es um die Handhabung von "arglistigem Verhalten oder jeder Handlung, die dem Interesse des Wettbewerbs schadet oder dem Interesse des Motorsports generell".

Mit dem Urteil wolle das Gericht nun "soweit möglich den anderen Teams eine ähnliche Position ermöglichen, die Mercedes sich durch den Regelbruch verschafft hat", heißt es in der Urteilsbegründung.

Horner: "Keine besondere Strafe"

Die angesprochene Konkurrenz dürfte damit jedoch alles andere als zufrieden sein. "Wenn dieser Test ohne Konsequenzen durchgewinkt wird, würden alle Verhandlungen über Kostenbegrenzung über Bord gehen. Das wäre die Öffnung von Pandoras Büchse, die wir dann kaum jemals wieder schließen könnten", hatte Red-Bull-Motorsportdirektor Helmut Marko vor der Verhandlung gepoltert. Und Teamchef Christan Horner meinte: "Wer das Sportgesetz bricht, sollte auch eine Strafe erhalten, die mit dem Sport zu tun hat." Red Bull und Ferrari waren es gewesen, die nach dem GP von Monte Carlos Protest gegen die Tests von Mercedes und Pirelli eingelegt. Das Team von Weltmeister Sebastian Vettel hatte Mercedes vor dem Prozess zusätzlich belastet, indem es der FIA Analysen zu möglichen Erkenntnissen aus dem 1.000-Kilometer-Test geschickt hatte.

Ferrari-Verweise

Mercedes baute dagegen vor allem auf seine angeblich passive Rolle als Dienstleister. Es sei ein Pirelli-Test gewesen, damit habe Mercedes das Testverbot nicht gebrochen. "Ich wüsste nicht, wie wir die Daten in Zukunft nutzen sollten", sagte Teamchef Ross Brawn. Die Mercedes-Vertreter hatten im Laufe der Anhörung immer wieder Ferrari angegriffen. Die Scuderia hatte in den vergangenen Jahren ähnliche Testfahrten absolviert, vor Gericht standen aber nur die Silberpfeile - hier werde mit zweierlei Maß gemessen. Gerichtspräsident Edwin Glasgow mahnte aber wiederholt, Ferrari sei im vorliegenden Fall nicht relevant. Zudem hatten die Italiener Autos verwendet, die, wie im Reglement gefordert, jeweils mindestens zwei Jahre alt waren.

Der Young Driver Test findet vom 17. bis 19. Juli in Silverstone nun ohne Mercedes statt. Damit wählte das Tribunal exakt die Strafe, die Anwalt Harris im Prozess als akzeptabel dargestellte hatte. In jeder Saison gilt für diese Tests mit Nachwuchsfahrern eine Ausnahme des allgemeinen Verbots. (sid/red, derStandard.at, 21.6.2013)