Der Vorstand der STANDARD-Gruppe kündigte Mittwochmittag die Verschränkung aller Abteilungen an. Man will für die Zukunft gewappnet sein, den Herausforderungen der immer heftiger umkämpften Medienlandschaft besser begegnen können und natürlich Synergien nutzen. Warum ist das ein bedeutender Schritt?

Mit Abstand betrachtet stellt dieser Tag einen noch gravierenderen Paradigmenwechsel dar. Diesem massiven Wandel geht die Erkenntnis voraus, dass Journalismus keine Grenzen mehr ziehen darf – praktisch, wirtschaftlich und ideologisch. Wir sind nicht Print oder Online, wir sind jetzt ein Medium.

So sehr Journalisten es gewohnt sind, in Publikationsformen zu denken und auf Anschläge oder Aktualität zu arbeiten, so wenig interessiert es die Leser, was dahintersteht. Leser interessieren sich für Inhalte und nicht für Vertriebskanäle. Manchen gefällt nach wie vor der Druck auf Papier besser, andere lesen am Tablet oder am Smartphone und in der Mittagspause wird der PC zum Nachrichtenportal. Und für immer mehr Leser werden soziale Medien zur wichtigsten Informationsquelle. Kurzum: Leser holen sich ihre Informationen dort, wo sie gerade sind. Und verabsäumen wir Journalisten es, sie an diesen Orten anzutreffen, bedienen sich unsere Leser anderswo.

Leser interessieren sich für Inhalte, nicht für Publikationsformen

Deshalb ist es sinnlos sich darüber Gedanken zu machen, wie man das viel beschworene Printsterben aufhalten kann, und ob man nicht doch eine Paywall vor dem Online-Angebot hochziehen soll. Egal wie stark die Bemühungen auch sein werden, die Leser zur Zeitung zu dirigieren oder mit einem Bezahlsystem zu konfrontieren, das sie nicht wollen, werden wir die Evolution des Medienkonsums nicht ändern können. Wenn Leser kein Papier mehr in den Händen halten wollen und Online-Abonnements scheuen, sind die Medien gefordert, sich neue Lösungen einfallen zu lassen.

Das Asset von derStandard.at und DER STANDARD ist die Qualität der Inhalte, nicht deren Layouts. Guter Journalismus kann keine Frage des Distributionskanals sein. Und gute Medien finden die Kanäle, auf denen sie gelesen, gehört und gesehen werden. Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, man kann ihn nur zu seinen Gunsten nutzen.

Größere Herausforderungen am Horizont

Sich darüber klarzuwerden ist nicht nur entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenlegung von Print- und Online-Redaktionen, sondern auch für die Ergreifung der vielen Chancen, die die mediale Konvergenz des Internets mit sich bringt. Vor zehn oder fünf Jahren noch bestand Online-Journalismus mehrheitlich darin, Texte zu publizieren. Heute bieten Medien über iTunes Podcasts an und Video-Features über Youtube. Online-Inhalte werden zusammengefasst als eMagazine verkauft. Leser werden nicht nur zu Hören und Sehern, sondern auch zu allgegenwärtig konsumierenden Usern, die sich keine Gedanken mehr über die Bezugsmöglichkeiten machen wollen. Man stelle sich vor, man würde einen Podcast-Hörer dazu zwingen, zur Trafik zu gehen. Der Podcast würde einfach nicht gehört werden.

Und wenn man sich heute nur zögerlich an die Online-Publikation eines Textes heranwagt, wie will man sich dann der Web-Video- und Social-Media-Revolution stellen können?

Der aktive User

Dem Journalismus stehen heute mehr Herausforderungen und kritischere und mächtigere Konsumenten als je zuvor gegenüber. Leser werden durch ein Posting, ein Youtube-Video oder Tweets zu Medienschaffenden und verlangen, dass ihre Meinung berücksichtigt wird. Konnte ein politischer Kommentar oder eine Marktanalyse in einem passiven Medium wie TV oder Print noch mehr oder weniger ohne Konsequenzen veröffentlicht werden, sind Journalisten dank des Rückkanals online einer Schar divergierender Meinungen ausgesetzt. Klug eingebunden kann das Feedback der Masse jeden Artikel bereichern. Ignoriert man diese Diskussion, verpasst man die Chance auf gegenseitige Bereicherung.

Zur bloßen Informationsgewinnung ist heute kein User mehr auf ein bestimmtes Medium angewiesen, Information ist ein überall verfügbares Gut. Als Medienschaffende muss es unser Ziel sein, die User dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten und sie jedes Mal aufs Neue daran zu erinnern, weshalb sie den Weg zu uns und zu unserer Berichterstattung suchen sollten. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 19.6.2013)