Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Bild aus besseren Zeiten der deutschen Landwirtschaft: Wegen Budgetkürzungen fließen Mittel aus Brüssel bald spärlicher.

Foto: apa/Zucchi Uwe

Es ist ein Henne-Ei-Problem, das gelöst werden muss: Kann eine tief gehende Reform der gemeinsamen Agrarpolitik vereinbart werden, bevor der gesamte budgetäre Rahmen der Union (MFR) für die Zeit zwischen 2014 und 2020 im Detail feststeht? Oder muss man für die Festlegung der Modalitäten/Kürzungen bei Agrarförderungen doch erst abwarten, bis klar ist, wie viel Geld zu welchen Bedingungen die Budgetminister in die diversen EU-Fördertöpfe der Union legen werden?

Vor dem Dilemma stehen die Vertreter von Kommission, Mitgliedstaaten und EU-Parlament in ihren Verhandlungen, die heute, Donnerstag, in Brüssel fortgesetzt werden. Alle drei Vertragspartner müssen zustimmen, um den Weg zur Reform freizumachen. Anfang nächster Woche werden sich dazu die EU-Agrarminister in Luxemburg treffen. Ob dann der Durchbruch gelingt, schien diese Woche eher unsicher. Die Abgeordneten wollen nach Luxemburg reisen.

Trilog-Verhandlungen ergebnislos

In der Nacht auf Mittwoch wurden die parallel geführten Trilog-Verhandlungen zum MFR wieder einmal ergebnislos vertagt. Zwar stehen die Gesamtsummen im Finanzrahmen von insgesamt 997 Milliarden Euro, davon 278 Milliarden für Agrardirektzahlungen und weitere gut 90 Milliarden für ländliche Entwicklung fest. Die Regierungen weigern sich jedoch zäh, zwei Hauptforderungen der Parlamentarier zu akzeptieren.

Zum einen geht es um eine "Flexibilisierungsklausel". Kommission und EU- Parlament sollen nicht verbrauchte EU-Förderungen von einem Kalenderjahr aufs nächste verschieben können. Ziel: Möglichst jeder Cent des Budgets solle verbraucht werden können, gerade wegen des von den Regierungschefs verfügten Sparkurses. Damit fielen aber Rückzahlungen überschüssiger EU- Gelder in nationale Haushalte weg - was den Nettozahlern nicht passt.

Zweitens will das Parlament eine verpflichtende Revision der finanziellen Vorausschau im Jahr 2016 - um dann vielleicht aufstocken zu können. An all dem hängt nun die Agrarreform, erklärt die EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger (ÖVP): "Für uns ist ganz klar, erst muss der Finanzrahmen stehen, dann kommt die Reform."

Nicht zuletzt davon werde am Ende abhängen, ob die Reformen ohne allzu große Verluste auch gelingen. "Das Parlament pocht auf Mitsprache", sagt Köstinger.

Ländliche Entwicklung

Bei technischen Fragen sei man in vielen Punkten weitergekommen, bestätigte der Vorsitzende des Agrarausschusses, Paolo de Castro. Aber sowohl bei den Direktzahlungen als auch bei der (für Österreich sehr wichtigen) ländlichen Entwicklung müsse sich der Rat erst bewegen. Die Regierungen wollen etwa den nationalen Kofinanzierungsanteil dabei von maximal 50 auf 75 Prozent erhöhen. Die Parlamentarier legen sich dagegen quer, weil sie langfristige Aushöhlung der Gemeinschaftsmittel befürchten. Köstinger: "Es geht dabei nicht nur um landwirtschaftliche Betriebe, sondern um viele Projekte zur Entwicklung des ganzen Raumes."

Bei den Direktzahlungen an die Bauern aus dem Topf der ersten Säule, die stärker an Umweltschutz geknüpft werden sollen, kämpfen jene Länder, die dabei bisher schon viel gemacht haben, darum, allzu große Einbußen zu verhindern. Auch das betrifft Österreich stärker als zum Beispiel große Flächenländer. Da das Land bei Prämien unter EU-Schnitt liegt, werden die Kürzungen geringer ausfallen als etwa in Frankreich. Osteuropa sollte profitieren. Derzeit beträgt der Agraranteil am EU-Budget 39 Prozent, er soll bis 2020 unter ein Drittel fallen.

Umstritten ist auch eine Obergrenze an Agrarhilfen von 300.000 Euro pro Betrieb: Dies dürfte zur "freiwilligen" Regelung der Staaten werden. Bei einem Abschluss nächste Woche, könnte die Agrarreform Anfang 2014 starten. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 20.6.2013)