Der Kontrollwahn via Bestätigungs-Spam kann nur durch hartnäckige Ignoranz besiegt werden.

Foto: Andrea Maria Dusl

Pro: Endlich Struktur
Von Andrea Heigl

Laissez faire wird überschätzt. Zum Beispiel: Es braucht klare Vorgaben, wie der Schreibtisch im Büro auszusehen hat. Eingetrocknete Kaffeehäferln, zu chemischen Experimenten mutierte Essensreste, tonnenweise nie wieder benötigtes Papier - wo kommen wir hin, wenn jeder alles herumliegen lässt! Hin und wieder tut so eine Aufforderung zum Zusammenräumen gut, da weiß man als Mitarbeiter, woran man ist.

Ähnlich verhält es sich mit der Lesebestätigung. Dieses kleine Fensterchen, das aufpoppt und einem mitteilt: Der Sender dieser E-Mail ist einer, der es ganz genau wissen will, der bestimmt in ein paar Minuten nachfragen wird, wann denn endlich eine Antwort kommt. Das gibt Struktur im Büroalltag. Nur, liebe Herrschaften von Microsoft: Warum habt ihr da diesen Button einprogrammiert, mit dem man das Senden der Lesebestätigung ablehnen kann? Vielleicht, weil man sich die Freiheit nehmen könnte, mal ein wenig nachzudenken, die Kreativität sprießen zu lassen, gar einen Scherz zu machen? Auch das: überschätzt.

Kontra: Ausgespamt
Von Andreas Schnauder

Das hat gerade noch gefehlt. Im völlig übergehenden Postfach landet eine weitere Nachricht mit dem freundlichen Inhalt: Da wir von Ihnen keine Lesebestätigung erhalten haben, erlauben wir uns, Ihnen neuerlich die Vorzüge unserer jüngsten Waschmittel-Innovation zu übermitteln ... Da freut sich die Löschtaste. Was denken sich manche Absender eigentlich? Dass man aller Welt kundtun möchte, wann welche E-Mails wie bearbeitet werden?

Das geht aber noch weiter: Einmal langte eine Nachricht mit der Beschwerde ein, die vorangegangene Post sei nachweislich ungelesen in den Papierkorb geschoben worden. Wie das geht? Keine Ahnung. Es reicht ohnehin, wenn einem mangels Lesebestätigung vorgeworfen wird, Aufträge nicht fristgerecht abzuarbeiten. Der Kontrollwahn via Bestätigungs-Spam kann nur durch hartnäckige Ignoranz besiegt werden.

Apropos Struktur: Eingetrocknete Kaffehäferln entwickeln einen inspirierenden Duft, und der Geist wächst direkt proportional zum Altpapierstapel auf dem Schreibtisch. (Rondo, DER STANDARD, 21.6.2013)