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Demonstranten vor dem US-Konsulat in Hongkong: "Nein zum Staatsanwalt" steht auf dem Poster mit US-Präsident Obama.

Foto: AP/Cheung

Das Licht ist gedämpft, der Präsident sitzt vor Bücherschränken. Beruhigend nach Studierstube wirkt sie, die Kulisse im Weißen Haus. Und Barack Obama so gelassen wie immer. Nun ja, bevor er gewählt worden sei, hätten ihn einige Leute "diesen verträumten Liberalen" genannt, erinnert er an die Kampagne von 2008. Und jetzt sei er auf einmal Dick Cheney, " mit allem Drum und Dran", zitiert er frühere Anhänger, die ihn mit dem Hardliner an der Seite George W. Bushs vergleichen.

Dann spricht Obama von der richtigen Balance, die nicht nur seine Regierung finden müsse, sondern die Gesellschaft als Ganzes auf dem schmalen Grat zwischen Terrorabwehr und Schutz der Privatsphäre: "Wir müssen uns überlegen, wie viel Geheimhaltung wir tolerieren wollen." Während konservative Senatoren Edward Snowden als Landesverräter beschimpfen und seine Auslieferung verlangen, sagt Obama nur, juristische Schritte wolle er nicht kommentieren.

Enttäuschung über Obama

Es ist ein Fernduell, das die Amerikaner in Atem hält. In einem Chat mit Lesern des Londoner Guardian, geführt irgendwo in Hongkong, hatte Snowden am Montag geschildert, wie ihm Obamas nicht eingelöste Versprechen die Illusionen raubten und ihn die angestaute Enttäuschung schließlich bewog, mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Das Weiße Haus, begründete er seinen Frust, sei weder dem systematischen Rechtsbruch der Ära Bush auf den Grund gegangen, noch habe es das Lager Guantánamo als Symbol dieser Ära geschlossen.

Obama wiederum ließ sich eine halbe Stunde lang in seiner Residenz interviewen, bevor er zum G-8-Gipfel nach Nordirland aufbrach. Von Charlie Rose, einem Veteranen, der nicht dafür bekannt ist, allzu harte Fragen zu stellen. In der Nacht zum Dienstag ausgestrahlt, vom Sender PBS, einer aus Spenden und öffentlichen Geldern finanzierten TV-Station, die als US-Pendant zu öffentlich-rechtlichen Sendern in Europa gilt.

Behörden in Erklärungsnot

Das Gespräch wirkt wie eine Replik auf Snowden. In der Substanz eher schwammig, im Stil milde. Es zeigt einen Politiker, der um Verständnis wirbt. Zu Themen wie Datenschutz, betont Obama, müsse man "eine nationale Unterhaltung" führen. Es klingt nach Einsicht, nach Defensive.

Neue Enthüllungen, nicht alle von Snowden, bringen seine Spionagechefs in Erklärungsnot. Vor allem Keith Alexander, Leiter der National Security Agency (NSA), der Dienstag vor dem Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses aussagen musste.

Zuvor hat Matthew Aid, Autor zweier Bücher über die NSA, in der Zeitschrift Foreign Policy beschrieben, wie eine spezielle Sparte des Abhörgeheimdienstes systematisch Computernetzwerke hackt. Reichlich euphemistisch heißt sie Büro für maßgeschneiderte Zugangsoperationen, Office for Tailored Access Operations (TAO) im englischen Original. Innerhalb des TAO ist eine 600 Mann starke "Hacker-Armee", wie Aid sie nennt, rund um die Uhr in drei Schichten damit beschäftigt, Codes und Passwörter zu knacken und auf Festplatten gespeicherte Daten zu stehlen, seit 15 Jahren auch in China.

Die Einheit arbeitet abgeschirmt, ihr Quartier in der NSA-Zentrale ist besonders gesichert. Bewaffnete Wachen kontrollieren den Zutritt, Retina-Scanner und Türcodes garantieren, dass sich kein Unbefugter hineinschummeln kann. Brisant ist der Artikel deshalb, weil sich Obama vor wenigen Tagen bei Chians Präsidenten Xi Jinping massiv über Hacker in Diensten Chinas beschwerte - und Aid nun zeigt, dass er aus dem Glashaus mit Steinen wirft. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 19.6.2013)