Standbild aus Michael Goldgrubers Video "Rampe" (2012) in seiner Ausstellung im Kunstraum Bernsteiner: Der Gewalt des Meeres setzt der Künstler den skulpturalen Block der Landungsrampe entgegen.

Foto: Michael Goldgruber

Wien - Das Pfeifen des Windes übertönt das Brechen der Wellen nahezu. Ob es ein windiger Tag war, an dem die Aufnahmen zum Video Rampe (2012) entstanden sind, will man von Künstler Michael Goldgruber wissen. Er verneint und deutet auf den Verursacher. Die filmische Arbeit gegenüber zeigt die Gipfelarchitektur auf dem Montblanc, dem höchsten Berg der Alpen. Zwischen dem unwirtlichen Ort auf 4800 Metern Höhe und der Nulllinie am Atlantik entsteht eine Sichtachse.

Es sind zwei Pole der Naturdarstellung - Gebirge und Ozean -, die Goldgruber im Kunstraum Bernsteiner aufspannt und deren Darstellung (ob in klassischer Landschaftsmalerei oder in der Fotografie) sich mit Begriffen des Heroischen und Romantischen verbinden. Allen diesen Bildern von "Landschaft" gemein ist die Wahl eines Ausschnitts, eines gewissen Panoramas, das Naturräume diesen Idealen entsprechend inszeniert und idealisiert. Postkartenidyllen also, die unberührte Natur vorgaukeln und den Grad ihrer kulturellen Erschlossenheit - die Parkplätze für die großen Reisebusse oder die Masten der Berggondeln - vorenthalten.

Goldgruber (geb. 1965 in Leoben) geht es in seinen Fotografien und filmischen Bildern darum, dieses Foucault'sche Dispositiv des Blicks zu brechen. Er rückt am Ausschnitt und nimmt Details in den Fokus, die dieser Überhöhung zuwiderlaufen. Häufig sind es architektonische Elemente, die dieses Vordringen des Menschen in die vermeintlichen Rückzugsräume, das Beherrschen und die ökonomische Nutzbarmachung von Kräften der Natur offenlegen: Aussichtsplattformen, ein Kraftwerk in der Silvretta oder auch Scheinwerfer, die die pittoresken Felsformationen von Etretat ins rechte Licht rücken.

Manchmal genügt auch das Bild der kultivierten Natur allein: die Monokulturen der Fichtenwälder. In Goldgrubers filmischen Arbeiten sind es zudem oft Geräuschkulissen, die mit höchst weltlichen Sounds - Geplapper, Baulärm, metallene Klänge - für Irritation in der Welt des Erhabenen sorgen.

Im Kunstraum Bernsteiner ist es das Überlagern der Geräuschkulissen, das den Betrachter verunsichert. Dennoch üben Horizontlinie und die sich reizvoll an der gebauten Rampe brechenden Wellen eine magische, meditative Wirkung aus. Eine romantische Bildgewalt, der man sich aber entziehen kann, wenn man die militärische und blutige Geschichte des Ortes - Omaha Beach, Landungszone der US-Truppen im Zweiten Weltkrieg - in Erinnerung ruft. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 18.6.2013)