Bunt, schräg und einen Besuch wert: "Ball im Savoy" an der Komischen Oper Berlin in der Version des Intendanten Barrie Kosky.

Foto: Iko Freese / drama-Berlin.de

 Wenn man Barrie Kosky ein verrücktes Huhn nennt, ist das nicht despektierlich. Der Australier hat in seinem ersten Jahr auf dem Chefsessel der Komischen Oper die Berliner Opernlandschaft spürbar aufgemischt. Immer ein wenig aufgescheucht flatternd, dabei kreativ und hemmungslos schräg und vor allem aber erfolgreich. Als Intendant tat er dies mit seinem Programm; und als Regisseur, wenn er opulent und lustvoll überdreht zulangt wie jetzt beim Ball im Savoy von Paul Abraham.

Diese Jazz-Operette ist nicht wirklich eine Ausgrabung, aber eher selten zu sehen ist sie schon. Dabei war sie 1932 ein großer Erfolg, brachte sie doch die Weltoffenheit und das sprichwörtliche Tempo der 1920er in Berlin kurz vor dem Absturz noch einmal frech, frivol, mit Schwung und einem Händchen für Hits auf den Punkt. Der Wechsel zwischen verschiedenen Stilen, vor allem das Experimentieren mit den (gemäßigten) Jazzeinlangen klingt auch heute noch, mit Adam Benzwi am Pult der lustvoll mitziehenden Kapelle im Graben, eher modern, als operettenhaft angestaubt.

Ein mondänes Ehepaar

Bei ihrem Libretto hatten Alfred Grünwald und Fritz Lohner-Beda offenbar die gute alte Fledermaus vor Augen: Da kommt ein mondänes Ehepaar gerade von der Hochzeitreise zurück. Der Ball im Savoy (in Nizza) ist die erste Gelegenheit für eine amouröse Pause von der ausgiebig gepriesenen ehelichen Treue. Der Marquis (Christoph Späth) sucht sie, da er eine alte Forderung seiner verflossenen argentinischen Flamme Tangolita einlösen muss. Die wird hier dank Agnes Zwierko zur mezzosatt auftrumpfenden Operndiva. Die selbstbewusste Gattin Madeleine will sich, als sie Wind davon bekommt, vor Ort mit der erst besten männlichen Sahneschnitte rächen.

Für Temperament-Zunder und Komödie sorgen daneben Daisy Darlington. Sie ist unter Pseudonym ein berühmter Jazzkomponist. Und sie lässt sich von jenem Mustafa Bey angeln, den Herrmann Baumann als türkischer Attaché und Botschafter aller osmanischen 1920er-Jahre-Klischees mit Altherrencharme ausstattet. Die Katerstimmung vorm Happy End wird davon angeheizt, dass Madeleine sich offen zu ihrem (natürlich nur vermeintlichen) Treuebruch aus Rache bekennt.

Den Nazis passte weder der Komponist noch dieses Stück. Über Kuba floh Abraham ins amerikanische Exil und kehrte von dort nach dem Krieg nach Deutschland zurück. Freilich schwer gezeichnet von den Folgen einer Syphilis.

Es war eine besinnlich ergreifende Erinnerung an Abraham als Kosky nach dem gut platzierten Rausschmeißer, den das ganze zwischen bunt und halbnackt ausstaffierte hundertköpfige Personal von der Rampe in den Saal geschmettert hatte, daran erinnerte, wie Abraham im Wahn auf einer New Yorker Kreuzung den Autoverkehr dirigierte. Das von allen ergreifend gesungene Reich mir noch einmal zum Abschied die Hände war dann der besinnliche Ausklang für einen überdrehten, schmissigen Operettenabend. Trotz oder gerade wegen seiner politischen Inkorrektheiten (zwischen Hottentotten und Mohamed).

Dass sich Klaus Grünberg beim Drumherum auf den Platz vorm Fahrstuhl im 7. Stock des Savoy und auf Silbervorhänge und Auftrittstreppen beschränkt, ansonsten aber auf Esther Bilas Kostüme verlässt, ist in Ordnung. Dass eine Dagmar Manzel ihre Madeleine als erfahrende selbstbewusste gleichwohl attraktive Diva hinlegt, war zu erwarten.

Der Witz und die Power mit der Musical-Star Katharine Mehrling ihre Daisy aufs Parkett legt, ist die Überraschung des Abends. Nicht wirklich überzeugend funktionierende Mikropots sind der einzige Tropfen Wasser im Operetten-Champagner. Also, auf in Koskys Savoy! (Joachim Lange, DER STANDARD, 18.6.2013)