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Richtungshören, Kommunikation, Temperaturregelung: Das Drehen der Ohren ist im Tierreich noch immer Voraussetzung für das Überleben.

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Das menschliche Ohr wird dagegen wenig bewegt, obwohl es nach wie vor über willkürlich steuerbare Muskeln verfügt.

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Um in der Urgeschichte der Menschheit in der Wildnis überleben zu können, war das willkürliche Drehen der Ohren in alle Windrichtungen essenziell. Die akustische Ortung möglicher Gefahr entschied über Leben und Tod. 

Soziale Funktion und Temperaturregelung

Die Bewegung der Ohren hatte eine soziale Funktion inne, so wie sie auch heute noch der tierischen Kommunikation dient. Angelegte Ohren: Kampfpose, aufgestellte Ohren: Wachsamkeit. Auch zur Abwehr von Insekten und bei großer Hitze wurde mit den Ohren gefächelt. Der Elefant kann seinen äußeren Gehörgang sogar gänzlich verschließen, wofür er mittels Muskelkraft einen Knorpel mit etwa fünf Zentimeter Länge zusammenzieht.

"Wir kommunizieren nicht dadurch, dass wir die Ohren bewegen. Bei anderen Tieren hingegen kann die Ohrmuschel als 'Richtantenne' aufgefasst werden", sagt Franz M. Wuketits, Philosoph, Biologe und Vorstandsmitglied des Konrad-Lorenz-Instituts für Evolutions- und Kognitionsforschung im niederösterreichischen Altenberg.  Im Laufe der Evolution bildete sich die äußere Ohrmuskulatur des Menschen zurück und der Sehsinn wurde zum Leitsinn unserer Zivilisation.

Das "Ohrspiel"

Nur wenige Menschen können heute noch mit den Ohren wackeln, aber da sich die Ohrmuskeln willkürlich betätigen lassen, ist diese Kunstfertigkeit trainierbar. Allerdings braucht es dafür einiges an Konzentration, da die Ohrmuskelaktivität vom Gehirn gesteuert wird.

Die Beweglichkeit der Ohrmuschel ermöglicht die Ohrmuskulatur oder Musculi auriculares. Sie zählt zu den Hautmuskeln und wird vom Gesichtsnerv (Nervus facialis) angeregt. Bei Säugetieren lassen sich vier Muskelgruppen unterscheiden: vordere, obere, hintere und untere Ohrmuskeln: Der vordere Ohrmuskel sitzt am Ohrknorpel-Vorderrand und zieht die Ohrmuschel nach vorn. Der Heber des Ohres sitzt am Ohrknorpel-Oberrand und zieht die Ohrmuschel nach oben. Der Rückwärtszieher sitzt an der Ohrknorpel-Hinterwand und kann die Ohrmuschel nach hinten ziehen. Darüber hinaus finden sich am Knorpel der Ohrmuschel noch vier kleine Ohrmuskeln. 

Entbehrlich gewordene Rudimente

"Die äußeren Ohrmuskeln sind beim Menschen weitgehend entbehrlich gewordene Rudimente", sagt Wuketits.

Doch vielleicht ist es das Ohrenwackeln wert, wieder erlernt zu werden? Abgesehen vom Unterhaltungswert kann es weitere Vorteile haben: Zum einen arbeiten Wissenschaftler der Universitätsmedizin Göttingen an einer Methode, um querschnittsgelähmte Menschen mobil zu machen. Die Betroffenen sollen ihren Rollstuhl künftig mit Hilfe der Ohrmuskulatur steuern. Im Rahmen des sogenannten "telemetrischen myoelektrischen Ohrmuskelableitsystems" – kurz Telmyos - zeichnet ein Chip hinter dem Ohr Muskelsignale auf und überträgt sie per Funk an einen Empfänger, der den Rollstuhl steuert.

Zum anderen bewiesen Experten der HNO-Universitätsklinik an der MedUni Wien im Jahr 2011 durch retrospektive Beobachtung, dass eine Durchtrennung von Mittelohrmuskeln die Beschwerden von Morbus Meniere-Patienten - schwerer Schwindel, Schwerhörigkeit und Tinnitus auf einem Ohr - drastisch reduzieren kann. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 3.7.2013)