Carlotta Ikeda, die den japanischen Butoh-Tanz von Paris ausgehend seit den 80er-Jahren in Europa populär machte, hat sich in Haru no saiten/Un sacre du printemps mit Igor Strawinskys Frühlingsopfer auseinander gesetzt. Ikedas Interpretation ist denn schon eine sonderbare, hat mit der berühmten Vorgabe eigentlich gar nichts im Sinn.
Die Musik, eine Komposition von Alain Mahé, klingt, wie Butoh-Begleitmusik meistens klingt: atmosphärisch. Selten, dann bloß einige Töne lang, ist Strawinskys Original verfremdet zu erkennen.
Mit Ko-Choreograf Ko Murobushi hat Carlotta Ikeda an dem Stück gearbeitet. Beide sind aufeinander abgestimmte Produktionspartner. Das Ergebnis ist ein professionell gearbeitetes Stück, ein Bilderbogen vor türkisem Hintergrund, eingebettet in stimmungsvolles Lichtdesign. Die Tänzerinnen tun ihr Bestes, sind brave Schülerinnen dessen, was als Butoh, als "Tanz der Finsternis", in Mode kam. Die Mädchen schneiden Grimassen, verdrehen ihre Augen, bewegen sich im tiefen Plié, der "Erde" nah, weiter. Sie geben sich exaltiert und ausgelassen.
Dann plötzlich tauchen die Geschöpfe als Ballerinen auf, persiflieren unbegründet Partien aus dem Ballett. Carlotta Ikeda, die "Hohepriesterin", wird in einer Plastiktüte hereingetragen: Eine bedrohliche Warnung für das unschuldige Mädchencorps. Nach der Folge ungereimter Parts fragt man nur noch: Was heißt Haru no saiten?