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Foto: Reuters/Prammer
STANDARD: Die BBC deckte auf, dass die Regierung den Geheimdienstbericht über Massenvernichtungswaffen des Irak nachträglich verschärfte, ihr - vom Verteidigungsministerium decouvrierter - Informant David Kelly brachte sich um. London diskutiert deshalb heftig über "aggressive Medien".

Bacher: Dass die britischen Medien zu den aggressivsten zählen, die es gibt, wissen wir alle. Ich halte sie für die aggressivsten schlechthin. In diesem Fall trifft diese Beurteilung aber überhaupt nicht zu. Ein Medium, das imstande ist, den größten weltpolitischen Betrugsfall seit 1945 aufzudecken, hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, das zu tun.

STANDARD: Hat sich die BBC richtig verhalten, als sie den Namen des Informanten - nach dessen Tod - bestätigte?

Bacher: Mir ist ein völliges Rätsel, wie sie das tun konnte. Ich hätte aber gerne einen genaueren Bericht über das Motiv dahinter, denn das widerspricht der BBC-Tradition total. Dass das gegen journalistisches Standesethos verstößt, steht für mich außer Zweifel.

STANDARD: Zum Verhältnis BBC - Regierung: Beobachter haben den Eindruck, die BBC spielt stärker Opposition gegen die Regierung Blair, als die politische Opposition es vermag.

Bacher: Die BBC hat die ruhmreiche Tradition, ein Organ schärfster öffentlicher Kontrolle zu sein. So versteht sie sich auch zu Recht. Einer der größten BBC-Generaldirektoren, Hugh Carlton Green, der nach dem Krieg übrigens das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland aufgebaut hat, hat den schönen Spruch einmal geprägt: Sagen Sie mir ein Land, wo die Regierung mit den Medien besonders unzufrieden ist, dann nenne ich es ein besonders freies Land. In dieser Tradition versteht sich die BBC seit eh und je. Die BBC betrachtet sich sicher nicht als Teil einer oppositionellen Widerstandsbewegung. Sie dürfen nicht vergessen, dass alle wesentlichen Spitzenfunktionäre der BBC Labour-Leute sind. Entweder prominente Parteimitglieder oder den Labour-Leuten sehr nahe stehend.

STANDARD: Oder sie haben schon ordentliche Parteispenden geleistet.

Bacher: Der jetzige Generaldirektor hat bekanntlich 50.000 Pfund in die Parteikasse bezahlt aus lauter Begeisterung. Aber es hat eine politische und mediale Tradition, dass die jeweilige Regierung die Spitzenfunktionäre bestellt. Der Klamauk entfällt dort also, der bei uns immer gemacht wird, weil es ein Schwarzer oder ein Roter ist. Es ist jeweils der Regierungsfarbe entsprechendes Personal, nur hält sich das Personal aufgrund des medialen Selbstverständnisses der BBC nicht an irgendwelche Parteilinien.

STANDARD: Woher kommt es also, dass bei der BBC Labour- Leute so gegen Labour agieren?

Bacher: Weil sie sich als Fachleute und als Wahrer der Unabhängigkeit der BBC und der freien Meinungsbildung verstehen und nicht als elektronische Verlängerungen ihrer Parteien.

STANDARD: Bruno Kreisky galt Ihr ORF damals schon als Oppositionspartei.

Bacher: Wir haben uns nie als Widerstandsbewegung zu Kreisky verstanden, das hat er immer behauptet. Das Missverständnis ist leicht aufzuklären: Kreisky verstand unter einer öffentlich-rechtlichen Anstalt eine Klimaanlage für die Regierung. Und als solche haben wir uns natürlich nicht im Geringsten gefühlt.

STANDARD: Kreisky dürfte mit der Auffassung nicht ganz alleine sein, wie sich auch seither zeigt. Barbara Coudenhove- Kalergi schrieb im Standard, ein Brief wie jener des BBC- Chefredakteurs an Tony Blairs Kommunikationschef könnte man sich von einem ORF-Chefredakteur nicht vorstellen. Dort hieß es etwa: "Lieber Alastair, wir sind der festen Überzeugung, dass Nummer zehn versucht hat, die BBC einzuschüchtern . . . Du bist nicht besonders geeignet zu beurteilen, was unparteiisch ist."

Bacher: Das kann man sich jetzt nicht vorstellen, dieses Urteil besteht zu Recht. Unter Bacher 1 war das im ORF nicht nur vorstellbar, sondern Praxis.

STANDARD: Unvorstellbar ist für Barbara Coudenhove-Kalergi beim ORF auch, dass ein Fernsehreporter lange und detailliert das Zustandekommen eines Regierungsberichtes untersucht, weil: Zeit fehlt, Motivation von oben fehlt, Deckung von oben fehlt.

Bacher: Das wäre, glaube ich, nicht möglich. In der ORF-Information Portisch/Kreuzer/ Dalma war das Praxis.

STANDARD: Warum ist das jetzt nicht möglich?

Bacher: Weil offensichtlich andere Vorstellungen über die Unabhängigkeit einer Rundfunkanstalt und über die Pflicht zu öffentlicher Kontrolle bestehen.

STANDARD: Noch einmal zurück zur BBC: Der droht spätestens angesichts der jüngsten Ereignisse eine Teilprivatisierung, um sie zurechtzustutzen, sagen Beobachter.

Bacher: Das hat eine wesentlich mächtigere Maggie Thatcher schon vergeblich versucht. Das war sicher der bisher bemühteste Meuchelmordversuch an der BBC. Ich glaube nicht, dass das angesichts der politischen und medialen Traditionen in Großbritannien möglich ist. Es ist ja zu hoffen, dass es Blair bis dorthin nicht mehr gibt. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 25.7.2003)