Wo das Publikum gefordert wird: das Stück "Audience" von Ontroerend Goed.

Foto: Wiener Festwochen

Wien - Wenn die darstellende Kunst sich am Publikum abarbeitet, wird es oft prickelnd. Die Theaterperformancegruppe Ontroerend Goed aus Gent versuchte das bei den Festwochen im Schauspielhaus mit Audience. Und Freitag zeigt sie im Freiraum des Museumsquartiers bei Unruhe der Form eine Reflexion darüber, wie sich die Zeichen unserer Zeit in einer jugendlichen Psyche verankern: All That Is Wrong.

Audience beginnt bereits vor dem Saal. Da wird die Garderobe des Publikums eingesammelt. Folgerichtig taucht sie im Stück wieder auf. Die Darsteller veranstalten damit eine Modenschau. Taschen werden ausgeräumt, und schau, was kommt denn da vor die Linse der Videokamera, die ihre Bilder groß überträgt? Eine Unterhose, Kevin Rittbergers Buch Puppen. Drei Stücke und Schokolade. Außerdem Kondome.

In der Typologie der interaktiven Performance gehört Audience zur angriffigen Kategorie. Dort wird klargestellt: Ins Theater gehen kann zum Nervenkitzel werden. Etwa wenn sich ein Darsteller, als Entertainer Marke gschleckter Aff verkleidet, auf die Bühne stellt, zusammen mit einem Kameramann eine Zuschauerin herauspickt und auf ihr herumzuhacken beginnt.

Angenommen, das war mit der Betroffenen nicht abgesprochen, und bei allem Spaß an Ambivalenzen: Wenn diese Übung dazu dient, zu testen, ob der Publikumsrest des Publikums dem Opfer beisteht, müsste Regisseur Alexander Devriend ein Setting wählen, in dem gespielte und nicht gespielte Realität nicht wie hier ineinander verstrickt sind. Die Angeflegelte musste sich nicht betroffen fühlen, da sie wusste, das ist nur ein Spiel. Das mehrheitlich junge Publikum wusste das auch und sperrte sich mit einer Mischung aus Ironie und Betretenheit.

Anders gestaltet sich All That Is Wrong. Eine 18-jährige Performerin schreibt mit Kreide auf eine Tafel, wie sie sich in die Wirklichkeit der globalisierten Gesellschaft einzugliedern versucht. Sie baut ihre subjektive Begriffswolke; daraus wird eine hochkomplexe Gewitterwand, aus der Wörter wie Krise, Banken, Krieg und Klimaerwärmung blitzen und davon zeugen, unter welchem Druck die Jugend gerade steht. Traurige Einsicht: Die Verursachergeneration hat völlig versagt.  (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 14.6.2013)