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Atomkraftwerke in der EU werden nur mehr  alle sechs Jahre Stresstests unterzogen.

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Brüssel - Die EU-Staaten mit Atomkraftwerken (AKW) müssen künftig alle sechs Jahre eine europäische Überprüfung ihrer Nuklearanlagen sicherstellen. Damit werden die AKW-"Stresstests", die sich die EU nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 verordnete, nicht mehr im bisherigen Umfang weitergeführt. Die sechsjährigen Überprüfungen werden nach dem am Donnerstag vorgelegten Entwurf der EU-Kommission kleiner ausfallen, im Gegensatz zur bisherigen Praxis werden die "Mini-Stresstests" aber verpflichtend sein.

Rechtliches Vorgehen

Die EU-Staaten müssen "gemeinsam und in enger Abstimmung mit der Kommission ein oder mehrere Themen in Bezug auf die nukleare Sicherheit ihrer Nuklearanlagen auswählen". Die EU-Kommission könnte nach der neuen Richtlinie auch rechtlich gegen die Länder vorgehen, die Empfehlungen der europäischen Überprüfungsteams ("Peer review") nicht umsetzen. Eine regelmäßige Sicherheitsüberprüfung müssen die EU-Staaten zusätzlich alle zehn Jahre durchführen.

Im Fall eines Unfalls oder eines Zwischenfalls, der Notfallmaßnahmen oder einen Schutz der Öffentlichkeit erfordert, soll binnen sechs Monaten eine "Peer review" durchgeführt werden. Die Richtlinie soll überdies minimale Transparenzvorschriften garantieren. So müssten die EU-Staaten sicherstellen, dass die Öffentlichkeit frühzeitig Möglichkeiten erhält, in die Genehmigung von Nuklearinstallationen einbezogen zu werden.

"Europäisches Fukushima ausschließen"

Außerdem müssen die Staaten aktuelle und rechtzeitige Informationen über die nukleare Sicherheit und Risiken von Anlagen den Arbeitern und der Öffentlichkeit bereitstellen, "unter besonderer Berücksichtigung derjenigen, die in Nachbarschaft einer Nuklearanlage leben". Betreiber und Behörden müssen demnach eine Transparenzstrategie entwickeln und im Fall von "abnormalen Vorfällen und Unfällen" kommunizieren. Bisher sei die EU-Kommission bei Informationen vollständig auf das Wohlwollen der EU-Staaten angewiesen, weil nukleare Sicherheit weitgehend eine nationale Angelegenheit sei, hieß es in der EU-Behörde.

Nach den im vergangenen Oktober abgeschlossenen "Stresstests" hat die EU-Kommission gravierende Mängel festgestellt. Den gesamten Sicherheits-Nachrüstungsbedarf für alle Atomkraftwerke in Europa verortete die EU-Behörde in der Größenordnung von 10 Milliarden bis 25 Milliarden Euro.

Über die Richtlinie entscheiden die EU-Staaten mit Mehrheit, spätere Änderungen müssen aber einstimmig vereinbart werden. Das Europaparlament kann nur eine nicht-bindende Stellungnahme abgeben. Abgeordnete und Umweltschützer kritisierten den Vorschlag als unzureichend. "Diese neuen Regeln helfen wenig dabei, ein europäisches Fukushima auszuschließen", erklärte Greenpeace-Sprecher Jan Haverkamp.

Kritik aus Österreich

Umweltminister Nikolaus Berlakovich hat den Richtlinienentwurf kritisiert. "Mit der Entscheidung der Europäischen Kommission verkommen damit die Stresstests zu einer Einmal-Aktion", sagte Berlakovich am Donnerstag laut Aussendung. Die Kommission gebe sich mit einer Minimalvariante in Form von Peer-Reviews zufrieden

Der ÖVP-Europaabgeordnete Paul Rübig forderte eine unabhängige EU-Atomaufsichtsbehörde "mit Abschalt-Befugnis". Die Chefin der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, kritisierte Oettingers Vorschlag als völlig unzureichend. Oettinger bereite damit nur eine Laufzeitverlängerung von Kraftwerken vor.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat den Entwurf als "historischen Schritt" verteidigt. "Ich kann mir noch mehr vorstellen", sagte Oettinger am Donnerstag in Brüssel. "Aber als Realist, der ich bin, sage ich: Schon diese weitreichenden Schritte gehen manchen zu weit." (APA, 13.6.2013)