Bild nicht mehr verfügbar.

Petr Necas gibt sich unwissend.

Foto: APA/EPA/Singer

Die tschechische Polizei hat in wichtigen Verwaltungseinrichtungen des Landes Razzien durchgeführt und mehrere Personen verhaftet. Bereits in der Nacht auf Donnerstag verschaffte sich ein Kommando der Abteilung zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens (ÚOOZ) Zutritt ins Regierungsamt. Später folgten Einsätze bei weiteren Behörden, darunter im Verteidigungsministerium, in der Direktion der staatlichen Forstverwaltung und in der Abteilung für Investitionen des Prager Rathauses, wo Aufträge in Milliardenhöhe vergeben werden. Außerdem wurden Geld und Dokumente aus Tresoren der Komerční banka beschlagnahmt.

Bei einer weiteren Razzia im Büro eines Prager Unternehmers sollen auch Polizeihunde aus Österreich zum Einsatz gekommen sein, die Geld erschnüffeln können. Das Innenministerium in Wien bestätigte eine Unterstützung durch österreichische Polizisten.

Tschechische Medien berichteten von zahlreichen Festnahmen. Die Polizei soll unter anderem die Büroleiterin von Premierminister Petr Nečas, Jana Nagyová, sowie den Leiter des Regierungsamtes, Lubomír Poul, verhaftet haben. Unter den Festgenommenen sollen außerdem der ehemalige Klubchef der regierenden Bürgerdemokraten (ODS) Petr Tluchoř sowie sein Parteikollege, der ehemalige Landwirtschaftsminister Ivan Fuksa sein. Beide hatten im Herbst 2012 ihre Abgeordnetenmandate niedergelegt und damit den Sturz der Regierung verhindert. Zuvor hatten sie parteiintern gegen ein geplantes Steuerpaket rebelliert. Erst mit ihrem Ausscheiden aus dem Parlament machten sie den Weg für die Reform frei. Kurz danach befanden sich beide auf lukrativen Posten in staatsnahen Betrieben.

"Kein Grund für Rücktritt"

Premier Nečas gab am Nachmittag auf einer Pressekonferenz eine Erklärung ab. Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen und auch keine Hinweise auf illegale Handlungen seiner Mitarbeiter. "Für mich gibt es keinen Grund, einen Rücktritt in Erwägung zu ziehen", so Nečas. Der stellvertretende Parteichef der oppositionellen Sozialdemokraten (ČSSD), Lubomír Zaorálek, bezeichnete die Stellungnahme des Regierungschefs als "absurd". Nečas lebe "in einer anderen Realität".

Die Polizei gab sich im Zusammenhang mit den Verhaftungen zunächst bedeckt. ÚOOZ-Sprecher Petr Hanták erklärte lediglich, dass "alle Schritte in dem eingeleiteten Strafverfahren ordnungsgemäß bewilligt und gesetzeskonform" seien. Innenminister Kubice räumte zudem ein, dass auch Nečas in der Nacht Besuch von Staatsanwaltschaft und ÚOOZ hatte.

Nečas war nicht im Parlament erschienen, das Abgeordnetenhaus unterbrach deshalb auf Antrag der Opposition seine Sitzung. "Ich fordere den Premierminister auf, sich unverzüglich zu der Sache zu äußern", so der sozialdemokratische Parteichef Bohuslav Sobotka. Einige Oppositionsabgeordnete denken bereits über einen Misstrauensantrag gegen die Regierung und baldige Neuwahlen nach.

Noch ist jedoch unklar, mit welchen Korruptionsfällen die Razzien konkret im Zusammenhang stehen. Angaben über Dokumente, die die Polizei angefordert hat, sollen unter anderem auf Milliardenaufträge in der Prager Abfallwirtschaft, die Renovierung der Karlsbrücke oder den Lobbyisten Roman Janoušek hindeuten, der als "graue Eminenz" der Prager Stadtpolitik gerne im Hintergrund die Fäden zieht. Auch von Machenschaften in der staatlichen Forstverwaltung und bei der Tschechischen Bahn war die Rede.

Am Freitag will sich Präsident Miloš Zeman mit Spitzenpolitikern aus Regierung und Opposition sowie mit Vertretern von Polizei und Staatsanwaltschaft treffen, um die Lage zu erörtern. Prager Medien sprachen bereits am Donnerstag von einem politischen Erdbeben. (Gerald Schubert aus Prag, DER STANDARD, 14.6.2013)