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Inhaftierter Asylwerber im ungarischen Nyirbator. In manchen Staaten wurden Flüchtlinge schon bisher ins Gefängnis gesteckt –  jetzt weitet die EU die Möglichkeit dazu insgesamt aus.

Foto: AP/Szandelszky

Straßburg/Wien - Vor der Abstimmung im Europaparlament über die neuen Regeln für den Umgang mit den schengenweit erhobenen Fingerabdrücken von Asylwerbern gab es am Mittwoch noch eine kurze Aktion für Fotografen: Grüne Europaabgeordnete hielten Plakate in die Höhe mit großen Fingerprints darauf und dem Schriftzug: "Hände weg. Asylwerber sind keine Kriminellen".

Dann wurde votiert und rasch ausgezählt: 503 Stimmen für, 112 gegen die sogenannte Eurodac-Verordnung (bei 62 Enthaltungen). Eine erwartete große Mehrheit von Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberalen für die Bestimmung, laut der die Fingerprints Schutzsuchender ab Mitte 2015 in Verdachtsfällen im gesamten Schengenraum auch der Kriminalpolizei zur Verfügung stehen werden.

Flüchtlingshelfer, Linke und Grüne hatten genau das im Vorfeld stark kritisiert: Asylwerber würden so als Gesamtgruppe unionsweit unter Kriminalitätsverdacht gestellt. Eine vergleichbare, alle umfassende Datenbank zur Verbrechensbekämpfung von, zum Beispiel, allen Deutschen würde mit Recht als ungerechtfertigter Eingriff in die Datenschutzrechte gewertet, meinte etwa die deutsche Europaabgeordnete Ska Keller von den Grünen.

Effizienz als Ziel

Anders Hubert Pirker, Europaabgeordneter der ÖVP und als solcher Vertreter der stimmenstärksten EVP-Fraktion: Die Regelung sei ein notwendiger Bestandteil eines effizienten EU-weiten Asylsystems. Die Verbrechensbekämpfung stehe dabei keineswegs im Vordergrund, wenn die polizeiliche Fingerprint-Nutzung auch zu mehr Sicherheit beitragen werde.

"Durch Eurodac kann festgestellt werden, wer jemand ist, sowie wer für ihn zuständig ist", erläuterte Pirker im STANDARD-Gespräch. Bei Letzterem, der Zuständigkeit, ändert sich EU-weit trotz Novelle der Dublin II-Verordnung künftig wenig. Das Prinzip bleibt gleich, dass dort, wo ein Flüchtling die EU betreten hat (und ihm in den meisten Fällen die Fingerabdrücke abgenommen wurden), auch sein Verfahren durchzuführen ist: Laut Kritikern ein Regime der Härte.

Zwar hätten "etliche Studien erbracht, dass dieses System nicht funktioniert", sagt etwa Herbert Langthaler von der österreichischen Asylkoordination. Doch die Neuerungen, die von der Kommission angedacht wurden, hätten sich aufgrund des Einspruchs vonseiten des Rats, also der nationalen Regierungen, als undurchsetzbar herausgestellt.

Besagte neue Dublin-II-Verordnung war wie berichtet bereits am Montag beschlossen worden: In einem Asylpaket zusammen mit zwei weiteren Bestimmungen, die laut ÖVP-Mann Pirker ebenfalls zu "rascheren und faireren Asylverfahren beitragen" würden.

"Verwahrung" in Haft

Etwa die neue Aufnahmerichtlinie, die ab Mitte 2015 die "Verwahrung", also Inhaftierung, von Flüchtlingen ohne Papiere sowie aus anderen Gründen statthaft machen wird. "Die Schlepper raten den Menschen, vor Eintritt in die EU ihre Dokumente wegzuwerfen. Das verzögert die Verfahren", erläuterte Pirker. Flüchtlingshelfer Langthaler widerspricht: "Die meisten haben keine Wahl, denn Chancen auf legale Einreise in die EU gibt es nicht". Die "legalisierte Flüchtlingshaft" sei ein "großer Rückschritt". (Irene Brickner, DER STANDARD, 13.6.2013)