Nach mehr als vier Jahren des Hin und Hers zwischen der EU-Kommission, den Mitgliedstaaten und parlamentarischen Ausschüssen hat das Europäische Parlament am Mittwoch in Straßburg die erste große Reform des Schengen-Systems seit dem Wegfall der Grenzkontrollen im Jahr 1997 beschlossen. Mit 526 Ja- gegen 101 Neinstimmen fiel das Votum zu neuen Evaluierungsregeln im Plenum sogar überraschend deutlich aus.

Dementsprechend erleichtert zeigte sich auch Innenkommissarin Cecilia Malmström: Die neuen Regeln würden nicht nur eine effizientere Umsetzung und Einhaltung der Standards garantieren, sagte sie in Straßburg. Entscheidend sei vor allem, dass in Zukunft nicht mehr die Nationalstaaten praktisch im Alleingang entscheiden könnten, ob sie Grenzen dichtmachen, sondern die EU-Zentralbehörde (und jeweilige Anrainerstaaten) breite Mitwirkungsmöglichkeiten erhalten.

Genau um Fragen von Kompetenzen und Einschränkungen nationaler Souveränität hatte es die größten Differenzen gegeben. Kritiker vor allem von den Grünen bemängeln, dass die in EU-Verträgen vorgesehene Gemeinschaftsmethode nicht ausreichend umgesetzt werde, das Parlament habe keine volle Mitentscheidung.

Tatsächlich wird auch in Zukunft die Regierung eines EU-Landes weiter über Grenzschließungen befinden, aber nur begrenzt, sei es wegen unmittelbarer Bedrohung oder wegen Großveranstaltungen, für zehn bzw. 30 Tage. Aber: Es werden präzise wie umfangreiche Überwachungs- und Evaluierungsverfahren gesetzt. Die Innenbehörden müssen in Brüssel einberichten, die Kommission vor Entscheidungen eingebunden werden, und sie kann im Fall von Zuwiderhandeln Sanktionen aussprechen. Eine stärkere Rolle soll die Frontex-Behörde bekommen.

Neu ist auch, dass die EU-Partnerländer mit der Kommission Grenzschließungen von sechs Monaten zu jenen Mitgliedern vornehmen können, die sich nicht an Regeln halten, wenn Außengrenzen dadurch unsicher werden. Unausgesprochen gilt diese Verschärfung Griechenland, wo bisher besonders viele Migranten illegal in die Union gelangten. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 13.6.2013)