Zweimal gedruckt: Baumrinde aus Tonga an der Wand und Lucy Skaers schwarze Hand auf einem antiken Tisch.

Foto: Christine Winkler Courtesy Grazer Kunstverein

Graz - Ein kongolesischer Lendenschurz aus Baumrinde, die aussieht wie ein weiches Tierfell, schimmernde Fragmente blauer und grüner Seidenmessgewänder aus dem 17. Jahrhundert aus Frankreich und eine leuchtend bunte Federkrone aus Peru, die über zwei Jahrtausende immer wieder neu bemalt wurde: Das sind nur wenige Stücke alter Textilien aus der beeindruckenden Sammlung des New Yorkers Seth Siegelaub. 650 Stücke, die heute im Center of Social Research on Old Textiles lagern, hat Siegelaub seit den 1980er-Jahren aus aller Welt zusammengetragen.

50 davon zeigt der Grazer Kunstverein nun in der Schau Tradition, wo sie in einen Dialog mit zeitgenössischen Arbeiten von Willem Oorebeek, Lucy Skaer und Christopher Williams treten.

Für die Installation der Britin Lucy Skaer druckte diese eine schwarze Hand mit einem Papier auf einen antiken Tisch, wo die Handfläche seitenverkehrt erscheint. Sie steht vor einer Art Wandteppich aus mit Stempeln bedruckter Baumrinde aus Tonga.

Der Niederländer Oorebeek machte sich ebenfalls den Druck zum Thema, aber anhand von moderneren Reproduktionstechniken für Massenmedien. In seiner Blackout-Serie übermalte er Bilder aus Magazinen so, dass die Hochglanzfotos scheinbar eine haptische Struktur bekamen. In seinen Bildern aus dem bekannten schwarzen Gummi-Fußbodenbelag von Pirelli und in seiner Wandtapete Dot-Screen-Wall fokussiert er auf den Punkt - die kleinste Einheit des mechanischen Drucks.

Der Rolle der Fotografie als Reproduktionsmittel der Industrie nähert sich der Amerikaner Williams auch von der inhaltlichen Seite an. Er nimmt etwa ästhetisch auf einander gestapelte Tafeln von Rittersport- Schokolade so auf, dass man sie fälschlicherweise für Werbeaufnahmen halten könnte. Doch zurück zum begeisterten Stoffsammler Siegelaub. Er schließt die Klammer um die Ausstellung, die von Krist Gruijthuijsen, dem Direktor des Grazer Kunstvereins, und Maxine Kopsa, der Direktorin des Kunstvereins Amsterdam, kuratiert wurde.

Linker Publizist Siegelaub

Siegelaub interessiert sich nicht nur für Muster und Farben von Textilien, sondern auch für die Produktion von Textilien in der Geschichte des Kapitalismus.

Kein Zufall also, dass der Sammlerleidenschaft nicht nur die Tätigkeit als Galerist und Kurator für Konzeptkunst in den 1960ern in New York voranging, sondern auch das Publizieren linker Bücher in Paris. Dort gründete Siegelaub in den 1970ern das Mass Media Research Center und entwarf mit dem Anwalt Robert Projansky 1971 ein Vertragsformular für Künstler, das erstmals Ausstellungs- und Reproduktionsrechte regelte. Das Originalpapier liegt in der offenen Bibliothek des Kunstvereins.

In der linken Szene brachte der Vertrag Siegelaub einst auch Kritik ein, vermischte er doch schnödes Kapital mit hehrer Kunst. In Zeiten des Prekariats sieht man das heute anders. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 13.6.2013)