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Mehr als 50 Millionen Iranerinnen und Iraner sind am Freitag aufgerufen, zum elften Mal einen Präsidenten zu wählen. Von ursprünglich mehr als 600 Kandidaten wurden letztlich nur acht zugelassen. Von ihnen haben zum Schluss noch zwei verzichtet, der Gemäßigte Mohammed Reza Aref und der Konservative Gholam-Ali Haddad-Adel.

Um Massenproteste wie vor vier Jahren zu verhindern, hat man diesmal im Vorfeld der Wahlen alle nur denkbaren Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. "Die Präsidentenwahl muss strukturiert und bedacht durchgeführt werden", meinte der religiöse Führer Ayatollah Ali Khamenei in einer Rede vor dem Beginn der offiziellen Registrierung der Kandidaten und warnte zugleich alle politischen Kräfte, sich nicht zum Spielball der "Unruhestifter" vor vier Jahren machen zu lassen.

Vollstrecker Khameneis

Die Revolutionsgarde ging noch weiter. Mehrere Pasdaran-Generäle, unter ihnen der Oberbefehlshaber der bewaffneten Kräfte, Hasan Firozabadi, meinten: "Unruhen wie vor vier Jahren dürfen nie wieder vorkommen, und sie werden im Vorfeld verhindert."

Alle Sympathisanten der grünen Bewegung wurden als Kandidaten ausgeschlossen. Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, aber auch der Favorit des scheidenden Präsidenten Mahmud Ahmadi-Nejad, Esfandiar Rahim Mashaie, blieben nicht verschont.

Bei den acht zugelassenen Kandidaten handelt es sich mit Ausnahme von zwei gemäßigten um konservative Politiker, die sich als Vollstrecker der politischen Ansichten Khameneis präsentieren. Die zwei moderaten Bewerber - Hassan Rohani und der erwähnte Aref, der seine Kandidatur zurückzog - bekräftigen zwar, dass sie dem religiösen Führer loyal ergeben sind, versuchen aber auch, ihre Nähe zu den früheren Präsidenten Rafsanjani und Mohammed Khatami zu betonen. Ein heikler Balanceakt, der einerseits bei jungen und unzufriedenen Wählern gut ankommt, andererseits den übrigen Kandidaten genug Munition liefert, um sie als Sympathisanten der grünen Bewegung zu brandmarken.

"Reformlager nicht spalten"

In seinem am Dienstag bekanntgegebenen Rückzug berief sich Aref auf ein Schreiben, das er am Vorabend von Ex-Präsident Khatami erhalten hatte. Darin fordert Khatami ihn auf, die Anhänger der Reformer nicht zu spalten und sich für die gemeinsamen Ideale hinter Rohani zu stellen. Angeblich will sich auch der nicht zur Wahl zugelassene Rafsanjani hinter Rohani stellen.

Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm führten in Fernsehdiskussionen der Kandidaten zu Differenzen. Chefunterhändler Saeed Jalili vertritt eine unnachgiebige Haltung gegenüber dem Westen, während Rohani und überraschenderweise auch Ex-Außenminister Ali Akbar Velayati eher eine kompromissbereite Position vertreten. Rohani wie auch Velayati warfen Jalili vor, kein Konzept außer Ablehnung zu haben. Velayati sagte wörtlich: "Mit philosophischen Leitmotiven kann man keine Verhandlungen führen."

Rohani warf Jalili außerdem vor, alle Errungenschaften der Regierung Khatami und dessen zum Teil positiv verlaufene Verhandlungen zunichte gemacht zu haben. Rohani war unter Khatami Chef der iranischen Delegation, die unter anderem mit den Außenministern Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs in Teheran verhandelte und am Schluss mit ihnen gemeinsam das sogenannte Teheraner Statement für weitere Verhandlungen mit Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland herausgab. Rohani meinte: "Fehlinterpretationen Jalilis führten zu Sanktionen und Verurteilungen Irans in internationalen Gremien."

Mobilisierung von höchster Priorität

Nach der verbreiteten Frustration vor vier Jahren hat diesmal die Mobilisierung höchste Priorität für den religiösen Führer. "Jede Stimme ist ein Votum für die Islamische Republik", sagte Khamenei vor einer Woche und forderte die Wähler auf, ungeachtet ihrer Meinungsunterschiede an der Wahl teilzunehmen.

Ahmadi-Nejad erhielt vor vier Jahren nach offiziellen Angaben 26 Millionen Stimmen oder 62,5 Prozent. Das Ergebnis gilt weithin als manipuliert. Es führte zu großen Protesten. Tausende Demonstranten und mehrere Hundert Journalisten wurden verhaftet. Viele Demonstranten, angeblich 72, kamen unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben. Die Bilder von Massendemonstrationen und Angriffen bewaffneter Milizionäre auf friedliche Demonstranten gingen damals um die Welt. Unter ihnen die Erschießung von Neda Aghasoltan, die zum Symbol des Widerstands wurde.

Oppositionelle Zeitungen stellen die offizielle Zahl von 50,5 Millionen Wahlberechtigten infrage. Sie sprechen von 55 Millionen auf Basis der Volkszählung 2012. Auch Ahmadi-Nejad nannte mehrmals diese Zahl. Die den Reformern nahestehenden Blätter glauben, dass man weniger Wahlberechtigte angibt, um die Beteiligung im Nachhinein nach oben manipulieren zu können. (DER STANDARD, 12.6.2013)