Noch einmal unverschämt Glück gehabt: Europaminister Egemen Bagis hat zwei französische Studenten aus dem Gefängnis holen lassen, die andernfalls am Sonntag nach Frankreich abgeschoben worden wären als "ausländische Agitatoren" der Taksim-Protestbewegung. Lorraine Klein, Journalismusstudentin aus Nantes, die ein Semester an der Galatasaray-Universität in Istanbul absolvierte, ist eine der beiden, die der Minister herausgepaukt hat.

Klein war in der Nacht vom 3. Juni festgenommen worden, als sie einem Bericht ihrer Kommilitonen zufolge bei den Straßenbarrikaden im Stadtteil Beyoglu ein "falsches Foto" knipste. Bei der Festnahme soll sie von den türkischen Polizisten geschlagen worden sein, die Verletzungen begutachtete ein Spitalsarzt, danach wurde die Studentin ins Istanbuler Kumkapi-Gefängnis gebracht, wo sie bis zum 8. Juni saß. Fünf Jahre Einreiseverbot drohten ihr zusammen mit der Abschiebung aus der Türkei.

Mindestens vier Erasmus-Studenten sollen in den Tagen nach der gewaltsamen Stürmung des Gezi-Parks am 31. Mai festgenommen worden sein, darunter auch ein griechischer Student. Die liberale Tageszeitung "Radikal" berichtete von einem weiteren Fall angeblich "ausländischer Konspiration gegen die Türkei", die Premier Tayyip Erdogan und seine Regierung der Öffentlichkeit weismachen wollen, um die Protestbewegung im Land zu erklären: Der 20-jährige Rapper Shayan Shamloo war am 2. Juni bei einer Gezi-Protestaktion in Ankara als "iranischer Agent" verhaftet worden.

Ein Teil der Erasmus-Studenten in Istanbul will jedenfalls nicht länger im Seminarraum sitzen, während ihre türkischen Kommilitonen mehr Demokratie wagen. Sie machten einen kleinen Info- und Solidaritätsfilm und gaben am Ende ein Statement für ihr Heimatland ab: "Türkei, du bist nicht alleine - ich trage deine Botschaft nach Deutschland." Nur zum Beispiel. Ein mutiger Akt, gemessen an der schwindenden Toleranz der Behörden, und am Ende auch das, wofür das Erasmus-Austauschprogramm steht: gemeinsame demokratische Werte in Europa, von Uppsala bis Istanbul. (Markus Bernath, derStandard.at, 10.6.2013)