Die ziemlich nackte Kawasaki ER6n neben der üppig verkleideten BMW F 800 GT.

Foto: derStandard.at/Gluschitsch

Antriebsseitig setzen beide auf Zwei-Zylinder-Viertakt-Motoren.

Foto: derStandard.at/Gluschitsch

Auch auf eine tiefe Sitzposition können sich BMW und Kawasaki einigen. Bei anderen Kriterien sind die Gemeinsamkeiten enden wollend.

Foto: derStandard.at/Gluschitsch

Leicht abzulesen: die Info-Zentrale der BMW.

Foto: derStandard.at/Gluschitsch

Eindeutig fescher, dennoch übersichtlich: die Kawasaki-Instrumente.

Foto: derStandard.at/Gluschitsch

Seit Jahren spielt es Rambazamba in der Mittelklasse. Kubaturen zwischen 500 und 1000 Kubikzentimeter lassen die Herzen von Neu- und Wiedereinsteigern epileptisch schlagen. Und die alten Hunde, die können den Bikes auch einiges abgewinnen. Sie sind leicht und wendig, trotzdem stark genug und vergleichsweise günstig.

Genau. Vergleichsweise günstig. Weil mit fast 12.000 Euro, die BMW für seine neue F 800 GT haben will, kann von billig keine Rede sein. Da gehen sich mit etwas Verhandlungsgeschick schon fast zwei ER6n Kawas aus, die laut Liste 7.599 Euro pro Stück kosten. Wer auf ABS steht, legt noch einmal 600 Euro drauf. Darf man dann die teure, neue Reise BMW mit der günstigen, nackerten und heuer kaum veränderten ER6n überhaupt vergleichen?

Ein fairer Vergleich?

Nun ja, außer, dass beide in der Mittelklasse kämpfen, haben sie doch mehrere Parallelen. Wie den Motor. Zwei-Zylinder-Viertakt. Doch Kawasaki setzt im 649 Kubikzentimeter großen Motor auf acht Ventile, während sich BMW bei 798 Kubikzentimeter mit vier Ventilen begnügt. Gemein ist beiden auch die niedrige Sitzhöhe. Die BMW sattelt serienmäßig auf 800 Millimeter, die Kawa auf 805. Zwei Meter Lackln haben also schon ihre liebe Not, um sich würdig zwischen Sitzbank, Rasten und Lenker zu verteilen. Dafür kriegt man mit 160 Zentimeter Körpergröße und normalen Absätzen keine geweiteten Augen, wenn vor einem die Ampel auf Rot springt und man fürchtet, gleich einen hübschen Lederteppich zu mimen.

Klar, die BMW ist mit 90 PS um fast 20 Pferde stärker als die Kawa und wiegt nur um knapp 10 Kilogramm mehr. Und das spürt man auch beim Fahren. Der Kofferbomber drückt deutlich besser an als die nackte Japanerin. Aber das hätten wir auch so aus den Datenblättern lesen können. Was uns wirklich interessierte, war, wie fahren sich die beiden im direkten Vergleich? Und da gehen die beiden Motorräder weiter auseinander als meine Kiefer, wenn die Reißerische Taccos serviert.

Kinderradl und Schreibmaschine

"Die ER6n fahrt sich wie ein Kinderradl", zieht die als erstes Fazit, "während das Getriebe der BMW hakelig ist wie eine Vorkriegs-Schreibmaschine." Dabei weiß ja BMW, wie man ein sauberes Getriebe baut. In der weit größeren R 1200 RT etwa geht das Schalten so sanft, dass man auch mit Flipflops fahren könnte. Und auch wenn sich heuer technisch nix bei der Kawasaki ER6n getan, das neue Rot tut ihr echt gut.

Während die ER6n schon ums Eck biegt, wenn man nur den Kopf in die Kurve dreht, kann man sich den H. C. Artmann auf die Armaturen picken. "Schee oobong en d ööbeng" – "schön abgebogen in den Ellbögen", meine ich – bevor Sie das jetzt mehrmals laut im Büro vorlesen und sich Ihre Kollegen schon über Sie wundern, während Sie immer noch nicht dahinter gekommen sind, weil die vielen Buchstaben so ablenken. Denn, wer mit ausgestreckten Armen auf der 800er GT reitet, wird eher früher als später durch die Hecke am Kurveneingang verschwinden. Sie mag es, mit Körpereinsatz gefahren zu werden. Ja, eh die Kawa auch, aber die ist so agil, dass die auch auf patschert gefahren ums Eck sticht.

Und wenn wir den Artmann auf die Armaturen kleben, dann tun wir der BMW im Vergleichstest gleich was Gutes. Denn fescher ist das Mäusekino ganz klar auf der Kawasaki – auch wenn das auf der BMW halt dafür leichter abzulesen ist.

Mit der ER6n auf die Rennstrecke

"Mir taugt das Handling der Kawa schon sehr", sagt die Reißerische. "Ich brauch die Leistung jenseits der 150 PS einfach nicht. Dann lieber mit weniger Gewicht später bremsen und mich innen durchschwindeln." Sie hat dieses komische Grinsen im Gesicht, das ich sonst nur kenne, wenn sie mir am Start zu einem Rennen alles Gute wünscht und dabei wirklich hofft, dass ich kein technisches Gebrechen habe, damit es am Ende keine Ausreden gibt. "Weißt was? Ich tät damit gern ein paar Runden am Pann fahren und dir erst in der Box die Kniepackl wieder geben, die ich dir abreiße, wenn ich dich mit der Lady-Kawa außen sche hergricht hab."

Ich nehme ihren Fehdehandschuh auf – und steck ihn in den Koffer der BMW. Nein, auf solche Spiele lass ich mich nicht ein. Vor allem, wir wissen ja alle, das würde nie und nimmer passieren. Spannend aber, dass die Reißerische sofort zur Kawa greift, während ich nicht eine Sekunde überlege und der BMW den Sieg anerkennen würde.

Sie fährt sich erwachsener und ist ein echter Tourer, wenn auch im kleineren Format. Und die 4.200 Euro, die sie teurer ist, gehen mit Einzelradaufhängung und allem Pipapo gerade noch in Ordnung. "Um das Geld kann ich ein Motorradleben lang Sprit und Reifen kaufen", sagt die Reißerische. Aber auch da wissen wir, dass sie damit erst anfängt, wenn der Schuhschrank seine Dübel wie ein Sternspritzer ausspuckt. Schuh und Reifen – ja, irgendwie hat beides Grip, aber vergleichen kann man das trotzdem nicht. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 10.6.2013)