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Durchblick, was Kosten und Leistungen betrifft, haben Patienten beim Zahnarzt kaum. Was wie viel kostet und warum, ist schwer nachvollziehbar.

Foto: APA/Hans Wiedl

Die Liste der Konfliktpunkte zwischen Krankenkassen und Zahnärzten ist lang. "Zuletzt habe ich gehört, dass ein Arzt für eine Anästhesie privat bei einem Patienten kassiert hat, obwohl das eine Kassenleistung ist. Sein Argument: Es sei eine schneller abklingende Betäubung, die von der Kasse nicht bezahlt wird", schildert ein Kassenmanager und ärgert sich: " Man kann nicht Kassenverträge machen und dann doch privat kassieren." Bei Zahnspangen stehe man im Kassenvertrag auf dem Jahr 1973, sagt umgekehrt Zahnarzt Claudius Ratschew, Pressereferent der Österreichischen Zahnärztekammer. Damals gab es viele der Angebote noch nicht, "daher ist die Kieferorthopädie bis heute ein Stiefkind im Kassenvertrag". Kinderzahnheilkunde sei gar nicht geregelt. "Kinder brauchen gelegentlich andere Behandlungen als Erwachsene, das zahlt die Kasse nicht."

Wohin bei Zahnweh?

Die Problemspanne ist weit. Es gehören Gratisleistungen und überhöhte Honorarforderungen genauso dazu wie Zahnspangen, die nicht bezahlt werden, oder Zahnkronen, für die es nur Zuschüsse, lange Wartezeiten und zu wenig Behandlungsplätze in Krankenkassenambulatorien gibt.

Die zahnmedizinische Versorgung über die Krankenversicherungen lässt seit Jahren zu wünschen übrig. Jetzt wollen die Kassen die in den vergangenen Jahren erwirtschafteten Überschüsse für einen Ausbau lockermachen. Doch die Füllung der Lücken ist kompliziert und voll alter Bissigkeiten. Die Zahnärzte hätten gar kein Interesse daran, dass die Kassen Leistungen zahlen, sagen Funktionäre. Seit 2006 werde über den bestehenden Gesamtvertrag mit der Zahnärztekammer verhandelt - ohne Ergebnis. Dabei geht es nicht um mehr Geld oder zusätzliche Leistungen, sondern um eine kuriose Situation: Der seit 1957 bestehende Vertrag wurde zuletzt in den 90ern verändert, aber nie an die aktuellen Gegebenheiten angepasst. "Da stehen Leistungen drin, die es längst nicht mehr gibt, andere wurden nicht der zahntechnischen Entwicklung angepasst, und neue kommen nicht vor", sagen die Ärzte. Doch seit sieben Jahren gibt es keine Einigung darüber, wie diese Leistungen zu evaluieren sind, um dann Preise eruieren zu können. Weil es diese nicht gibt, können die Ärzte selbst festgesetzte Honorare verlangen. Die Kassen erstatten zurück, was sie für gerechtfertigt halten.

Das sind bei einer Krone 464, beim Stiftaufbau rund 150 Euro. Umgekehrt verrechnen die Zahnärzte im Schnitt oft mehr als das Doppelte. "Manche Kassen zahlen mehr - etwa die Beamtenversicherung. Der verbleibende Selbstbehalt ist zum Teil marginal. Bei den Gebietskrankenkassen zahlen wir das, was die Leistung in den eigenen Ambulatorien kostet", sagt Pressesprecher Dieter Holzweber vom Hauptverband. Eine detaillierte Aufschlüsselung, was Leistungen genau kosten oder kosten dürfen, sei schwer, weil die Kassen unterschiedlich zuschießen und das Angebot extrem breit ist. Hier brauche es eben genaue Verträge. Doch entsprechende Verhandlungen stocken seit Jahren beim Thema Mindestöffnungszeiten. Die Forderung der Kassen: 20 Stunden, verteilt über fünf Tage.

Also zahlen die Kassen, was sie für gerechtfertigt halten. Die SVA der gewerblichen Wirtschaft bewilligt Zuschüsse für Mundhygiene, Kronen oder Zahnersatz. Die Gebietskrankenkassen - vor allem jene in Wien, Oberösterreich und Vorarlberg sowie jene in Niederösterreich und der Steiermark - haben ihrerseits Zahnambulatorien, in denen sie Versicherte zu günstigeren Tarifen behandeln.

Tauziehen von Instanzen

Wer glaubt, dass es mit neuen Ambulatorien getan wäre, irrt, die Zahnärztekammer kann sie bremsen. "Man muss sich das so vorstellen, als ob ein Gastwirt in einem Dorf gefragt werden muss, ob er Bedarf für ein zweites Gasthaus sieht. Sieht der Gastwirt keinen Bedarf für Konkurrenz, darf das Gasthaus nicht aufsperren", erklärt ein Kassenfunktionär die Situation.

In der NÖ Gebietskrankenkasse erlebt man das gerade. Mit dem Neubau der Verwaltung wurde das eigene Zahnambulatorium von einer Straßenseite auf die andere verlegt. "Wir sind noch im gleichen Gebäudekomplex", sagt GKK-Direktor Jan Pazourek. Weil man keine neue Bedarfsprüfung veranlasst hat, klagte die Zahnärztekammer und hat höchstgerichtlich gewonnen. Jetzt will man auch die Betriebsbewilligung erneuern. "Eigentlich müssten wir jetzt zusperren. Dabei ist das Ambulatorium die einzige Infrastruktur, die auch Notdienste bis 22 Uhr macht", ärgert sich Pazourek und wirft der Kammer vor, zum Nachteil von Patienten zu agieren. Ratschew will diesen Fall nicht kommentieren. Nachsatz: "Ambulatorien sind für uns ein marginales Problem. Sie machen nur fünf Prozent der Behandlungen. Wir wollen, dass für die restlichen 95 Prozent Angebote geschaffen werden."

Die Kassen sehen es anders. Die Ärztekammer sei gegen Leistungsausweitungen. Erst Ende November wurde fixiert, dass die Zahnambulatorien der Sozialversicherung in Zukunft alle von freiberuflichen Zahnärzten erbrachten Leistungen anbieten dürfen. Sie werden dort zum Selbstkostenpreis angeboten. Beispielsweise kann eine Fissurenversiegelung (eine sichere und schmerzlose Methode, um Kinderzähne vor Karies zu schützen) im Kassenzahnambulatorium um 24,60 Euro angeboten werden, während die Zahnärztekammer in ihren Honorarleitlinien 41 Euro empfiehlt. (Martin Schriebl-Rümmele, DER STANDARD, 10.6.2013)