Gopalakrishnan beschreibt Repressalien gegen Stämme.

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Die Dongria Kondh, eine indigene Volksgruppe im ostindischen Bundesstaat Odissa, kämpfen seit Jahren gegen geplanten Bauxitabbau auf ihrem heiligen Berg.

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Standard: Welcher Schaden wird durch eine Mine verursacht?

Gopalakrishnan: Schon die Raffinerie, die Vedanta längst betreibt, hatte Auswirkung auf zwölf bis 15 Dörfer. Die Dongria Kondh, etwa 8000 Menschen, leben auf dem Berg, wo die Mine entstehen soll. Sie sind eine isolierte Gemeinschaft, kommen nur für Salz und Kleidung runter. Sie wären am meisten betroffen.

Standard: Wie weit ist der Bau?

Gopalakrishnan: Die Förderbänder wurden schon errichtet - illegal. Es ist seltsam, dass die Raffinerie vorher in Betrieb genommen wurde. Vedanta hat dem Obersten Gericht gesagt: "Wir haben jetzt in die Raffinerie investiert - gebt uns eine Mine."

Standard: Was wären die Folgen ?

Gopalakrishnan: Das größte Problem wäre die Wasserökologie: Der Bauxit muss aus dem Gestein gewaschen werden, dabei verschlammen Flüsse und Seen, Fischbestände sterben aus, und das Trinkwasser geht verloren. Die Lebensgrundlage der Dongria Kondh wäre vernichtet. Die Mine ist nur für etwa 20 Jahre ergiebig.

Standard: Wird den Bauern Ausgleichsfläche angeboten?

Gopalakrishnan: Das Problem ist, wenn man diesen Menschen das eigene Land wegnimmt, sterben sie aus. Sie können als Individuen überleben, aber nicht als Gemeinschaft. Du kannst nicht gedankenverloren die Rohstoffe eines Landes nehmen und hoffen, dass nichts passiert. Es braucht Regulation. Und du musst die Menschenrechte respektieren.

Standard: Unterscheiden Sie zwischen indischen und ausländischen Firmen?

Gopalakrishnan: Nicht wirklich. Vedanta ist ein von indischen Familien geführtes Unternehmen mit internationaler Beteiligung. Sie haben sogar noch mehr Einfluss auf indische Entscheidungsträger als ein ausländischer Konzern.

Standard: Ist China ein wichtiger Investor in Indien?

Gopalakrishnan: Nein, noch nicht. Es gibt eine südkoreanische Firma, Posco, die im gleichen Bundesstaat ein Minen- und Stahlwerk errichten will.

Standard: Der Protest konzentriert sich momentan auf die Mine?

Gopalakrishnan: Das ist das Hauptthema. Das Umweltministerium hat die Pläne für die Mine bereits abgelehnt, aber Vedanta ist bis zum Obersten Gericht gegangen. Die Sache ist ein Präzedenzfall. Am 18. April hat das Oberste Gericht die Entscheidung den Communitys übertragen. Das Areal gilt noch dazu als Heiliges Land. Nach der Gesetzgebung können die Stämme Ansprüche stellen.

Standard: Wenn Sie das entscheiden können - wo liegt die Gefahr?

Gopalakrishnan: In den vergangenen Monaten haben Amnesty und andere Organisationen nachgewiesen, dass massiv Druck aufgebaut wird. Die Menschen werden eingeschüchtert, es gibt Berichte über Folterungen und Festnahmen der Dorfbewohner.

Standard: Die Regierungen von Großbritannien und Norwegen haben Druck gemacht. Vedanta scheint das nicht zu beeindrucken?

Gopalakrishnan: Doch, es ist schon etwas passiert. Viele Investoren, etwa die Church of England oder der Norwegische Pensionsfonds, sind wieder ausgestiegen. Kennen Sie den Film Avatar?

Standard: Ja. Ein Konzern baut Rohstoffe auf anderen Planeten ab und gerät in Konflikt mit den dort lebenden Stämmen.

Gopalakrishnan: Es ist genau die gleiche Geschichte. Die Völker, um die es in Indien geht, sind vorschriftliche Kulturen. Sie lesen und schreiben nicht, aber sie haben es trotzdem geschafft, das Oberste Gericht anzurufen. Das ist eine Premiere und einzigartig.

Standard: Wie wird schon gegen die Mine protestiert?

Gopalakrishnan: Angefangen hat es 2003, die Proteste wurden jedoch unterdrückt, sogar recht gewaltvoll. Seit 2004 stockt die Umsetzung der Mine, 2008 entschied der Oberste Gerichtshof, dass sie weitermachen können. Dann kam unser Report heraus, der die Position der Völker gestärkt hat. Also wurde die Erlaubnis für den Bau wieder zurückgezogen.

Standard: Was bedeutet dieser Fall für andere Projekte in Indien?

Gopalakrishnan: Es gibt einen Bauxitgürtel, der sich durch mehrere Bundesstaaten zieht. Viele Firmen haben Pläne, sie alle warten auf den Ausgang. Auch Stämme leben in diesen anderen Gebieten.

Standard: Wie ist das Prozedere?

Gopalakrishnan: Die Position der Stämme wird in den kommenden Wochen einfließen und interpretiert. Basierend darauf wird das Umweltministerium festlegen, ob die Mine gebaut wird oder nicht.

Standard: Kann das schieflaufen?

Gopalakrishnan: Wir wissen es nicht. In Indien können die Dinge immer manipuliert werden.

Standard: Denken Sie, der lokalen Bevölkerung wird Geld angeboten?

Gopalakrishnan: Das ist passiert, und sie haben es abgelehnt. In der Gegend wurden auch paramilitärische Truppen eingesetzt, um die Bewohner einzuschüchtern.

Standard: Ist das Abstimmungsverfahren anonym?

Gopalakrishnan: Nein, es ist eine offene Runde. Jeder kann dorthin gehen, auch Anwälte und ein Richter werden anwesend sein. Kein Dorf darf ausgelassen werden. Auch Amnesty wird den Prozess beobachten. Das Gericht hat untersagt, dass jemand von Vedanta dabei sein kann.

Standard: Wird sie das abhalten?

Gopalakrishnan: Sie werden immer Spione haben (lacht). Die Firma hat so ziemlich alles versucht. Sie haben es noch nicht geschafft, sich mit Druck einen Weg zu bahnen. Gäbe es die Kampagne nicht, wäre die Mine längst da. An dieser Geschichte wird sich entscheiden, welchen Weg die Bergbauindustrie in Indien geht. Ob die Rechte der indigenen Bevölkerung gewahrt werden - oder nicht. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 1./2.6.2013)