Wienbibliothek und Metroverlag haben 200 Jahre Wiener Radgeschichte auf 200 Buchseiten zusammengefasst.

Fahrradgrüße aus Wien: Für ihre lange Radtradition ist die Bundeshauptstadt nicht unbedingt bekannt. Dennoch kann sie auf eine knapp zweihundertjährige Fahrradgeschichte zurückblicken. Anlässlich des Radjahres 2013 und der internationalen Velo-City-Konferenz präsentieren die Wienbibliothek und der Metroverlag einen Sammelband, der diese Rad- und Radfahrgeschichte Revue passieren lässt. (Postkarte mit Motiv vor der Karlskirche in Wien)

Foto: Wien Museum

Die Beiträge wurden von 21 Autorinnen und Autoren verfasst. Sie alle sind mit der heimischen Szene vertraut und engagieren sich mitunter seit langem darin. Eingeladen wurden von den vier Herausgebern etwa Hans Doppel und Alec Hager von der heimischen Radlobby, Martin Blum, der Fahrradbeauftragte der Stadt Wien, und Petra Sturm, die die Anfänge des Fahrrads studiert.

Foto: Bundespolizeidirektion Wien

Das Buch zeigt, dass selbst vermeintlich junge Phänomene wie der Ruf nach mehr Radwegen eine mehr als hundertjährige Geschichte haben. Zu Beginn seiner Entwicklung um 1870 war das Fahrrad auf adelig-gutbürgerliche Kreise beschränkt. Erst 20 Jahre später begann es sich zum Massenverkehrsmittel zu entwickeln. (Ringstraße vor der Oper, Wien)

Foto: Bundespolizeidirektion Wien

Der Schriftsteller Arthur Schnitzler fand schnell gefallen am Veloziped und wollte auch andere Autoren von dem neuen Fortbewegungsmittel überzeugen. Seinem Freund Hugo von Hofmannsthal schrieb er: "Sie müssen Bicycle fahren lernen!" Ab 1893 war Schnitzler Mitglied der Radfahrer-Union "Vorwärts".

Foto: Micheal Zappe

Petra Sturm beschreibt im Kapitel "Die bewegte Frau", gegen welche Konventionen Frauen ankämpfen mussten, um sich ihren Platz im Sattel zu erobern. Lange Jahre war man der Meinung, dass sich Fahrradfahren für Frauen nicht ziemte. So versuchte man Damen das Radfahren durch strenge Modevorschriften unmöglich zu machen. Das Tragen einer Hose galt für sie in der Zeit um 1880 als verpönt. Ein Kleid durfte auf dem Fahrrad aber auch nicht getragen werden. Anfangs winkte die selbstbewusste Radlerin deswegen nur von den Werbeplakaten der Fahrradhersteller.

Foto: Michael Zappe

Die Politikerin und Gewerkschaftsführerin Anna Boschek (im Bild) diente damals vielen Frauen als Vorreiterin der Emanzipation. 1891, Jahre bevor Fahrradfahren auch für Frauen als schicklich galt, machte sie eine Rundfahrt auf einem Fahrrad.

Foto: Wienbibliothek

In den 1930er Jahren machten Radfahrer in Wien rund 20 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens aus. Eine Zahl, von der Fahrradenthusiasten heute nur träumen können: Derzeit liegt der Anteil bei mageren sechs Prozent. Der Fahrradbeauftragte der Stadt, Martin Blum, plant den Anteil bis 2015 auf zehn Prozent zu erhöhen.

Foto: Michael Zappe

Neben der verbesserten Mobilität brachte das Rad bald sportlichen Wettkampf mit sich, wie Elmar Samsinger in seinem Kapitel "Nicht von Pappe ..." beschreibt. Der Radsportler Adolf Schmal alias "Filius" ist bis heute der einzige österreichische Olympiasieger im Radfahren. Er gewann die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1896 im 12-Stunden-Rennen. Er war einer der wenigen, die das Rennen überhaupt beenden konnten.

Foto: Wienbibliothek

Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg brachte dem Fahrrad einen neuen Konkurrenten: Das Auto, war das "must have" der 50er Jahre. Das Fahrrad war zum Vehikel für arme Leute verkommen. Franz J. Gangelmayer vom Projektsstab der Wienbibliothek beschreibt in dem Kapitel "Es muss kein Auto sein!", wie das Radfahren in der Nachkriegszeit immer mehr an Bedeutung verlor.

Foto: Wienbibliothek

1960 war das Radfahren in Wien bereits unter der Wahrnehmungsschwelle verschwunden. Bernhard Hachleitner zeigt in dem Kapitel "Das Verschwinden des Fahrrads", welche Anstrengungen unternommen wurden, um das Radeln in Wien wieder populärer zu machen.

Doch erst die ausgehenden 1980er Jahre markierten einen Umschwung weg von der "autogerechten Stadt" und hin zu der "sanften" Mobilitätsform des "Urban Cycling".

Foto: Wienbibliothek

Heute ist Radfahren ein Teil des Lebensstils geworden. Alec Hager beleuchtet deswegen die aktuelle Fahrradkultur und ihre jüngere Geschichte. Für ihn bildet die erste "Critical Mass", ein Demonstrationszug von damals noch wenigen Radfahrern im Jahr 2006, den Wendepunkt, von dem aus die "Neue Radkultur" Wiens Straßen eroberte.

Foto: Michael Zappe

Bald darauf folgen neue Gruppen mit klingenden Namen wie das "Lastenradkollektiv", die "City Cycling School", "BikeFilmNights" und "Cyclechic", die sich für mehr Fahrrad in Wien stark machen. (Michel Mehle, derStandard.at, 16.7.2013)

Foto: Matthias Marschik

Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik, Rudolf Müllner, Michael Zappe (Hg.)
Motor bin ich selbst
200 Jahre Radfahren in Wien
Metroverlag 2013
190 Seiten, 25 Euro

Zusätzlich ist im Foyer der Wienbibliothek eine Vitrinen-Ausstellung mit Materialien aus den Sammlungen zur Geschichte des Radfahrens in Wien zu sehen.

Link

Ausstellung in der Wienbibliothek

Foto: Matthias Marschik