Im "Swamp Club" wird Langeweile als Produktivkraft aufgefasst: eine Performance von Philippe Quesne mit Holz und Morast. 

Foto: Argyroglo

Wien - Wie ein gläserner Wunderwürfel liegt der Swamp Club des Franzosen Philippe Quesne (Konzept und Regie) im Matsch. Der schmucke Kubus bildet in der Halle G des Museumsquartiers die zentrale Sensation. Bühnenbildnerei als unterstützendes Handwerk war gestern: Das Vivarium Studio hat für seine atemlos erwartete Festwochen-Premiere ein komplettes Biotop gebastelt.

Allerlei Farngewächs ziert den Garten. Reiherfiguren stehen sich in trüber Pfütze die Füße in den Bauch. Trockeneisnebel dräut aus Bodenluken. Rechter Hand öffnet sich der Schlund einer Grotte, in der Besucher sich nach Wunsch zur Ruhe betten. Ein ausgestopfter Hirsch glotzt müde an die Wand.

Areal für Aussteiger

Der titelgebende Swamp Club ist die Hauptfigur dieses selig selbstvergessenen Abends. Quesne hat eine Potemkin'sche Ruheanlage errichten lassen, ein Grünareal für Komplettaussteiger. Die kulturelle Nutzung wird durch ein Streichquartett sichergestellt. Die Herrschaften fiedeln eingangs Schostakowitschs achtes Quartett. Man ahnt als Hörer der verzehrenden Klänge sofort, es wird mit dem Schmuddelparadies kein gutes Ende nehmen.

Bevor es aber so weit ist, vergehen etwa 75 Minuten. Offenbar passiert noch immer viel zu viel auf der Welt. Philippe Quesne vertritt die eigentlich sympathische These, dass man es auch einmal gut sein lassen muss. Mit Handlung, Konflikten oder Stückaufbau braucht man diesem ausgebufften Performance-Profi nicht zu kommen.

Drei Wanderer landen im Swamp Club. Gefiedelt werden unterdessen Mozart und Schubert. Die freundlich begrüßten Gäste erhalten von den drei Waldschraten, den Kustoden der Anlage, drei Bogen geschenkt. Man räkelt sich rund um den Sumpf. Der Moskitoplage begegnet man mit Sprays. Vorher gibt es noch einen Begrüßungstrunk ("It's a Apfelschorle!"). Vor gut 40 Jahren hätten die Kommunarden vielleicht spontan freie Liebe gemacht oder sich mit dem Vietcong solidarisch erklärt. Heute tragen die Clubgäste Goldstücke, groß wie Medizinbälle, aus der unterirdischen Mine davon.

Womit wir zur zentralen Figur dieser tatsächlich unterirdischen Produktion kommen: ein Maulwurf, etwa so groß wie ein ausgewachsener Braunbär. Das verängstigte Tier zittert wie Espenlaub. "Die von draußen" kommen, um den Swamp Club abzureißen. Hektisch werden Verteidigungsmaßnahmen ergriffen. Der Swamp Club darf nicht sterben. Die getopften Farnpflanzen werden nach drinnen verräumt. Es ist höchst an der Zeit, mit aller Macht für Beton und Fortschritt zu plädieren.   (Ronald Pohl, DER STANDARD, 6.6.2013)