Ein guter Mann auf einer Selbstmordmission": So urteilte die israelische Zeitung Haaretz über den neuen palästinensischen Premier Rami Hamdallah. International ist der Technokrat ohne Regierungserfahrung, der nun zwischen zerstrittenen palästinensischen Fraktionen und Israel navigieren muss, vor allem als Wissenschafter bekannt.

Schon seit 1998 ist der Sprachforscher mit dem Spezialgebiet palästinensische Familiennamen und englisch-arabische Übersetzungen Präsident der An-Najah-Universität in Nablus, der größten Hochschule in den Palästinensergebieten. Zuvor hatte er an der angesehenen britischen Universität von Lancaster promoviert. Dass er in seiner Funktion als Rektor auch zahlreiche berufliche Kontakte nach Israel unterhält, könnte eine mögliche Verständigung womöglich erleichtern, hofft man dort.

Die An-Najah-Universität hat Hamdallah zu einer umtriebigen Bildungsorganisation ausgebaut, politisch ist er dagegen bisher auch Insidern nicht gut bekannt. Hamdallah ist Generalsekretär der Zentralen Wahlkommission und hat auch die Wahlen im Jahr 2006 geleitet, bei denen die radikalislamische Hamas siegte. Außerdem sitzt er im palästinensischen Verfassungsrat und im Vorstand der Yassir-Arafat- Stiftung, die sich laut Eigenbeschreibung dessen Andenken und wohltätigen Zwecken widmet, zuletzt aber besonders wegen ihrer Zustimmung zu Theorien um einen "unnatürlichen Tod" Arafats im Jahr 2004 aufhorchen ließ.

In seinem persönlichen Leben musste der 1958 im Dorf Anabta im Norden des Westjordanlandes geborene Hamdallah im Jahr 2000 eine Tragödie hinnehmen: Damals starben drei seiner vier Kinder bei einem Verkehrsunfall, seine Frau überlebte nur schwer verletzt.

Kritiker bemängeln, dem Mann mit dem charakteristischen schwarzen Schnauzbart mangle es an Charisma - er habe vielmehr das trockene Auftreten eines gründlichen Akademikers. Für Abbas könnte ihn diese Eigenschaft attraktiv gemacht haben. Hamdallah sollte ihm, anders als sein Vorgänger Salem Fayyad, nicht das Rampenlicht stehlen.

Dass sich der neue Premier bisher von politischen Ämtern eher ferngehalten hat, gilt in gewisser Weise aber auch als einer seiner Vorzüge: Hamdallah gilt als persönlich integer und ist trotz seiner Freundschaft zum palästinensischen Magnaten Munib al-Masri bisher nie der Korruption verdächtigt worden. (Manuel Escher, DER STANDARD, 4.6.2013)