Wenn heute mehrere Autoren Alfred Gusenbauer als das identifizieren, was er ist, nämlich ein Geschäftemacher, der alle linken Elemente seiner eigenen Vergangenheit abgestreift und Lügen gestraft hat, so muss der Wahrheit und Gerechtigkeit halber vermerkt werden, dass der Ungeist technokratischer Selbstbezogenheit und sozialer Kälte schon mit Franz Vranitzky als Parteiobmann Einzug in die SPÖ gehalten hat. Die stillschweigende Devise, die Vranitzky ausgegeben hat und auch heute noch mit seinem Luxusleben als hochdotierter Bankpensionist zwischen Wien und Kreta ausgibt, ist das dem französischen Bürgerkönigtum des Philosophen François Guizot entlehnte "Enrichissez vous!", zu Deutsch "Bereichert euch!".

Vranitzky hat in Viktor Klima, der in Südamerika Autos verkauft hat, und in Alfred Gusenbauer, der sich sogar Diktatoren als Berater andient, gelehrige Schüler und Nachahmer gefunden. Alle diese Herren bedenken nicht, welchen Schaden dieser ihr Lebensstil den noch vorhandenen Resten der Idee der Gleichheit, die Christian Broda noch als "harten Kern des Sozialismus" bezeichnet hat, zufügt. Dass es nicht so sein muss und es auch so etwas wie freiwillige Selbstbeschränkung gibt, die dann auch zur Nachahmung reizt, zeigt das Beispiel der KPÖ in Graz, die als Minipartei auf eine ansehnliche Größe gewachsen ist.

Wenn die SPÖ für Erbschafts- und Vermögenssteuern eintritt, so ist dieses an sich berechtigte und begrüßenswerte Anliegen durch Funktionäre, die kraft ihrer einstigen Ämter zu Großverdienern aufgestiegen sind, unglaubwürdig. Solange es in der Partei keine Instanz oder moralische Autorität gibt, die die Einhaltung gewisser Minimal- bzw. Maximalstandards der Bereicherung gewährleistet, diskreditiert das die gesamte Gesellschaftspolitik der SPÖ.

Das tatsächliche Verhalten der schon genannten Funktionäre ist geradezu ein Hohn auf die schönen Worte, die noch im Parteiprogramm 1958 zu lesen waren: "Sie (die SPÖ) verlangt von ihren Anhängern, dass sie anstelle des rücksichtslosen Kampfes für die eigenen persönlichen Vorteile die Aufgabe der menschlichen Gemeinschaft darin sehen, wirtschaftlich schwächeren und sozial bedrängten Mitmenschen ohne Unterschied des Geschlechts, der Nation oder Rasse, der Religion oder Klasse, die Gleichberechtigung in Frieden und Freiheit erreichen zu helfen."

Karl Blecha, der auch schon bessere ideologische Tage erlebt hat, schickt sich an, ein neues Parteiprogramm zu konzipieren, das womöglich noch schönere Worte enthalten soll als die Vorgängerprogramme 1958 und 1978, die aber ebenso wenig eingehalten wurden und werden wie diese.

Und über alldem schwebt und lächelt Werner Faymann ... (Norbert Leser, DER STANDARD, 4.6.2013)