Istanbul - Lange war es eine Art Arbeitsteilung in Sachen Public Relations: Tayyip Erdogan, der harsche unnachgiebige Chef der Regierung auf der einen Seite, Staatspräsident Abdullah Gül oder Vizepremier Bülent Arinç auf der anderen - ruhig, versöhnlich, väterlich. Wenn Erdogan lospolterte und die Türken verschreckte, kamen gleich danach seine Parteifreunde und glätteten die Wogen. Der Kurs blieb derselbe. Damit scheint jetzt Schluss.

Tayyip Erdogan war am Montag kaum zu seiner Reise nach Nordafrika abgeflogen, als Gül in Ankara vor das Mikrofon trat und den Premier korrigierte: "Demokratie ist mehr als nur Wahlen", stellt er fest, "die Botschaft ist angekommen." Genau das lässt Erdogan angesichts der Protestbewegung im Land nicht gelten. Er brauche keine Erlaubnis für den Umbau des Taksim-Platzes, sagte der Premier, er habe sie bei den Wahlen bekommen; wer mit seiner Regierung nicht zufrieden sei, könne bei den nächsten Wahlen abstimmen.

Die größte Belastungsprobe in bisher zehn Jahren an der Macht zeigt Bruchlinien in der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP). Gül und Arinç äußern Verständnis für die Demonstranten auf dem Taksim-Platz. Istanbuls Bürgermeister Kadir Topbas - auch er gehört der konservativ- muslimischen AKP an - rudert zurück: Man habe das Bauprojekt nicht gut erklärt und seine Lektion gelernt.

An Erdogans Seite stehen vor allem Bildungsminister Ömer Çelik ("Es gibt keinen Handel" mit den Demonstranten), Außenminister Ahmet Davutoglu und Vizepremier Bekir Bozdag. 2014 sind Präsidenten- sowie Städte- und Gemeindewahlen. Dabei geht es auch um Istanbul. Es macht die Unruhe in der AKP nur noch größer. (mab, DER STANDARD, 4.6.2013)