Zu Jahresbeginn lebte die Hoffnung. Die Schwellenländer werden der Eurokrise zum Trotz die globale Konjunktur weiter anfeuern. Das glaubten die heimischen Wirtschaftsforscher von Wifo und Co. genauso wie die internationalen Institute.

Doch so langsam machen sich die Zweifel breit. So hat etwa Indien, nach Bevölkerungszahl die Nummer zwei der Welt, im ersten Quartal die konjunkturelle Talsohle nicht verlassen (Reuters). Die knapp 4,8 Prozent Wachstum klingen zwar für westliche Ohren nach viel. Doch zieht man davon das Bevölkerungswachstum (1,4%) ab, bleiben pro Kopf gerade etwas über drei Prozent über. Für ein Schwellenland mit gerade mal 4000 Dollar realer Wirtschaftsleistung pro Kopf ist das ein sehr mageres Wachstum (Datenquelle Penn), laut "Financial Times" das langsamste Wachstum in einer Dekade. Im Schnitt ist Indien in den vergangenen zehn Jahren mit acht Prozent gewachsen.

Noch wichtiger für die globale Konjunktur aber ist China, das laut Schätzungen des internationalen Währungsfonds in den vergangenen fünf Jahren immerhin für rund ein Drittel des Wachstums weltweit verantwortlich war. Der IWF hat am Mittwoch sein prognostiziertes Wachstum für China gesenkt, von acht auf 7,75 Prozent. Wer ein wenig Einblick in die Arbeit des Währungsfonds hat, weiß, dass er zutiefst politisiert ist. Öffentliche Aussagen und Prognosen werden von einer Reihe von Akteuren abgesegnet, öffentliche Kritik kommt daher nur in homöopathischen Dosen.

Doch am Mittwoch hat der IWF ziemlich klar gesagt, was ihm am chinesischen Wachstumsmodell nicht gefällt (New York Times). Das massive Kreditwachstum etwa habe "substantielle Risiken wie Vermögenspreisblasen" mit sich gebracht. Das undurchsichtige chinesische System von Schattenbanken lässt die Ökonomen des Fonds "an der Qualität der Investitionen in China zweifeln" – ein Problem, auf das auch die Ratingagenturen aufmerksam geworden sind (Bloomberg). Und – zu guter Letzt – sei die chinesische Volkswirtschaft nach wie vor zu sehr von Investitionen abhängig, die auf Pump finanziert werden, und zu wenig vom privaten Konsum.

Reform der Modelle

Diese Kritik zielt auf das Kernproblem der Schwellenländer ab. Die großen vier, Russland, Indien, China und Brasilien, haben in der Vorkrisenzeit Wirtschaftsmodelle aufgebaut, die ganz gut funktioniert haben. Grob gesagt: China investierte und exportierte, baute also Straßen, Brücken und Flughäfen und verkaufte Industrieprodukte weltweit. Indien konsumierte und exportierte Dienstleistungen wie IT. Brasilien und Russland finanzierten staatliche Konsumprogramme mit den Überschüssen aus dem Rohstoffgeschäft.

Diese Wachstumsmodelle wanken. Brasiliens Volkswirtschaft ist mit Wachstum von unter einem Prozent unterwegs. Dass die Rohstoffpreise, insbesondere viele Agrarrohstoffe, Industriemetalle und Öl, zuletzt gefallen sind, verbessert die Lage nicht unbedingt. Das Vertrauen in die aktuelle Regierung für Abhilfe zu sorgen, schwindet zusehends, weil auch die Inflation steigt (Reuters). Ähnlich sieht es in Russland aus, das dieses Jahr wohl so langsam wie zuletzt im Krisenjahr 2009 wachsen wird.

China und Indien wiederum müssen sich etwas austauschen. Indien braucht Investitionen in Infrastruktur und bessere Wirtschaftspolitik (Stichwort: Zwillingsdefizit). China wiederum muss seinen Bürgern mehr Entscheidungsmöglichkeiten in die Hand geben und ihnen mehr wirtschaftliche Macht einräumen.

Die aktuellen Konjunkturdaten aus den Schwellenländern zeigen, dass es keineswegs eine ausgemachte Sache ist, dass die BRIC-Staaten im Schnitt mit acht Prozent wachsen können. Im Gegenteil, angesichts der Schwäche in Europa sind die nötigen Strukturreformen auch anderswo wichtiger denn je.