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Bradley Manning muss sich ab Montag vor einem Militärgericht verantworten. Er hat der Enthüllungsplattform Wikileaks geheime Dokumente zugespielt.

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Demonstranten vor der Militärbasis Fort Meade, wo der Prozess stattfindet, sind von der Strafbarkeit von Mannings Handlungen nicht überzeugt.

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Der Prozess gegen Manning soll zumindest zwölf Wochen dauern.

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Am Montag beginnt auf der US-Militärbasis Fort Meade, 40 Kilometer nördlich von Washington D.C., der Prozess gegen Bradley Manning. Dem 25-jährigen Soldaten wird vorgeworfen, als geheim eingestufte Dokumente der US-Regierung und der US-Armee der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt zu haben. Darunter waren hauptsächlich Dokumente über den Einsatz der US-Truppen in Afghanistan und im Irak und hunderttausende diplomatische Depeschen von US-Botschaften.

Ein Gesetz wider die Spionage

Manning muss sich in 22 Anklagepunkten verantworten. Ein Teil der Anklage bezieht sich auf den sogenannten Espionage Act, ein Gesetz, das die Weitergabe von geheimen Informationen unter Strafe stellt. Der Espionage Act stammt aus dem Jahr 1917 und wurde zwei Monate nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg von Demokraten und Republikanern gemeinsam beschlossen. Anlass war ein Fall von deutscher Spionage, der dazu führte, dass ein Munitionslager im Hafen von New York explodierte. Der Espionage Act sollte die Weitergabe von Informationen verhindern, die die nationale Sicherheit gefährden könnte.

Geheimnisverrat oder Recht auf Information

Bis zum Amtsantritt von Präsident Barack Obama gab es lediglich drei Anklagen, die sich auf den Espionage Act als gesetzliche Grundlage bezogen. Seit 2009 allerdings wurde gegen insgesamt sechs Personen wegen Geheimnisverrats Anklage erhoben. Was als Gesetz zur Bekämpfung von Spionage gedacht war, wird, wie Kritiker behaupten, von der Obama-Regierung vermehrt gegen Whistleblower eingesetzt.

Versuch, investigative Arbeit zu unterbinden

Einzelne Journalisten haben sich vehement gegen diese Praxis ausgesprochen. Jake Tapper, bis Ende 2012 Chefkorrespondent des TV-Senders ABC im Weißen Haus und seither bei CNN, ließ seinem Ärger über die Anwendung des Espionage Act bei einer Pressekonferenz im Februar freien Lauf: Als der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, die Arbeit von zwei in Syrien ums Leben gekommenen Journalisten lobte, die gestorben seien, "um die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen", nutzte Trapper die Gelegenheit, um seinem Unmut Luft zu machen. Er fragte, wie es zusammenpasse, dass die Regierung mutige Reporter in fremden Ländern schätze, während sie im Inland versuche, investigative journalistische Arbeit mittels Espionage Act möglichst zu unterbinden. Freilich: Trappers Frage wurde mit der Bemerkung abgewürgt, dass über konkrete Fälle keine Information weitergegeben werden könne.

Ein Sicherheitsberater unter Verdacht

Einer der bisher sechs unter dem Espionage Act Angeklagten war Thomas Drake, Angestellter beim US-Militärnachrichtendienst NSA (National Security Agency). Er hatte sich gegen ein von der NSA geplantes Sicherheitssystem namens Trailblazer ausgesprochen. Nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Drake wäre ein intern von der NSA entwickeltes System besser und billiger gewesen.

Nachdem seine interne Kritik ungehört blieb, wandte Drake sich mit den Informationen an die "Baltimore Sun". Die Tageszeitung veröffentlichte mehrere Artikel über Geldverschwendung und mangelhaftes Management innerhalb der NSA. Drake wurde wegen Geheimnisverrats angeklagt, zwischenzeitlich drohten ihm bis zu 35 Jahre Haft. Im Prozessverlauf blieb allerdings von den Anklagepunkten lediglich die zweckentfremdete Nutzung eines Computers übrig. Drakes berufliche Karriere ist jedoch zerstört, heute arbeitet der hoch qualifizierte Sicherheitsspezialist als Verkäufer in einem Apple Store.

Manning: "Zeigen, was passiert und warum es passiert"

Auch der mutmaßliche Wikileaks-Informant Bradley Manning hat immer wieder betont, dass es ihm bei der Weitergabe der Dokumente nie darum gegangen sei, die nationale Sicherheit der USA zu gefährden. Im Februar sagte Manning, er habe lediglich deshalb so gehandelt, um zu zeigen, "was passiert und warum es passiert": "Ich dachte, wenn die Öffentlichkeit - insbesondere die amerikanische Öffentlichkeit - Zugang zu den Berichten hat, würde das zu einer Debatte über die Außenpolitik im Irak und in Afghanistan führen."

Um eine Verurteilung Mannings unter dem Espionage Act zu erreichen, müsste die Anklage beweisen, dass Manning Grund hatte zu glauben, die Dokumente könnten den USA schaden oder einer fremden Macht helfen, berichtete die "New York Times" im Februar.

Manning hat sich bereiterklärt, sich in zehn der 22 Anklagepunkten schuldig zu bekennen - darunter auch der Besitz und die unerlaubte Weitergabe von Geheimdokumenten. Allein dafür könnte er zu 20 Jahren Haft verurteilt werden. Die Anklage hält weiterhin an den Vorwürfen der Spionage und der Unterstützung des Feindes fest. Eine Verurteilung könnte für Manning eine lebenslange Haftstrafe ohne Chance auf vorzeitige Entlassung bedeuten.

Beispiel Pentagon-Papers

Manning erhält auch prominente Unterstützung: Daniel Ellsberg hatte 1969 als Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums zahlreichen Medien hunderte als geheim eingestufte Dokumente über die Hintergründe und Verfehlungen der US-Vietnampolitik zugänglich gemacht. Er war unter dem Espionage Act angeklagt, die Vorwürfe wurden aber fallengelassen. Über Manning sagte Ellsberg dem Nachrichtenportal The Raw Story: "Ich hoffe, ich hätte im digitalen Zeitalter genauso gehandelt wie er. Er hat genau das Richtige getan." (Michaela Kampl, derStandard.at, 3.6.2013)